Der Caritas-Krisendienst Südhessen, die VRM - Mediengruppe und die Software AG Stiftung haben sich nun schon im dritten Folgejahr zusammengetan, um Themen im Bereich seelische Gesundheit und Wohlbefinden in verständlichen wissenschaftlichen Vorträgen zu vermitteln.
Das dieses Format ein Erfolg ist, zeigten schon die über 1.500 Zuhörer*innen der Veranstaltungsreihe zum Thema Schlaf, Schlafmangel und rast- und taktlose Gesellschaft in den Jahren 2017 und 2018.
Bastian Ripper vom Caritas-Krisendienst Südhessen ging in seiner inhaltlichen Einführung auf den roten Faden zwischen den Themen rast- und taktlose Gesellschaft und dem aktuellen Thema Glück und gelingendes Leben ein.
Aus der Arbeit des Krisendienstes heraus stelle man immer wieder fest, dass der eigentliche rote Faden - quer durch die unterschiedlichsten Beratungsthemen und Inhalte hinweg - eine spürbare Unzufriedenheit mit den eigenen Lebensverhältnissen ist. Das oft beschworene tagtägliche Hamsterrad verstelle vielfach den Blick auf die eigenen persönlichen Bedürfnisse. Nicht wenige suchten den Ausweg in einem hedonistischen Wettlauf um das kleine Glück im Alltag, organisierten sich häufig in jeden kleinsten Fitzel freier Zeit ein Event. Mitunter in irrwitzigen Episoden: Ein Wochenende - sieben Abenteuer. Schlafen kann ich wenn ich tot bin.
Dieses Thema umtreibe den Krisendienst. Dieses Thema zerpflüge unsere Gesellschaft. Die Initiatoren dieser Veranstaltungsreihe meinen daher: Zeit um auf Spurensuche zu gehen.
Prof. Dr. Hilke Brockmann von der Jacobs University Bremen präsentierte eine fundierte wissenschaftliche und doch klar verständliche Einführung in den Kosmos der Glücksforschung.
Wann fühlen wir uns glücklich? Woraus entsteht ein gelingendes Leben?
Schon im antiken Griechenland hat man versucht hierauf eine Antwort zu finden. Die Wissenschaft hat hierfür einen Begriff geprägt: Eudaimonie - die Lehre vom gelingenden Leben.
Eudaimonie meint im Kern aber kein Gefühl oder emotionalen Zustand, sondern eine Art zu leben. Es bedeutet in Übereinstimmung mit seinem wahren Selbst zu leben und sein volles Potenzial zu erfüllen. Wer auf diese Weise lebt, verfolgt Ziele, die mit den eigenen Werten übereinstimmen und ist intrinsisch (= aus sich selbst heraus) motiviert.
In der wissenschaftlichen Praxis der letzten Jahrzehnte haben sich in Forschung über das Wohlbefinden zwei Linien gebildet: die hedonistische und die eudaimonistische Strömung.
Akteure der hedonistischen Strömung sind der Auffassung, dass zu einem glücklichen Leben vor allen Dingen Freude und Lebenszufriedenheit gehören. Wer also möglichst häufig guter Stimmung ist und sein Leben alles in allem positiv einschätzt, ist glücklich. Im Fokus steht das sog. subjektive Wohlbefinden.
Akteuren der eudaimonistischen Strömung geht diese Definition nicht weit genug. Sie sind der Ansicht, dass eine positive Stimmung alleine nicht ausreicht um glücklich zu sein. Dem Menschen innewohnend sei auch das Bedürfnis sich zu verwirklichen. Um ein gelingendes Leben zu führen, müsse auch ein Sinn im Leben gesehen werden. Es gehe darum authentisch zu leben und sich selbst zu verwirklichen, d.h. seine Talente zum Wohle der Gemeinschaft einzubringen.
Was gehört dann zu einem gelingenden Leben?
Einige Forscher sind der Meinung, dass dies erfüllt werde, wenn die Grundbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit erfüllt werden. Andere stellen in den Vordergrund, dass man nur solche Aktivitäten ausführt, die mit den eigenen Werten übereinstimmen.
Der Psychologin Carol Ryff zufolge existieren sechs Faktoren, die ein optimales Leben ausmachen:
das Vorhandensein von Zielen und Perspektiven, Selbstbestimmung, eine kontinuierliche persönliche Entwicklung, die Fähigkeit, sein Leben und seine Umgebung erfolgreich zu gestalten, Kenntnis und Akzeptanz der eigenen Stärken und Schwächen sowie das Vorhandensein von vertrauensvollen zwischenmenschlichen Kontakten.
Wenn wir diese eudaimonistischen Aspekte verfolgen, entsteht Freude sozusagen als Nebenprodukt des gelingenden Lebens ganz natürlich.
Umgekehrt gelte dieses Prinzip aber nicht: wenn wir uns also nur darum bemühen möglichst viele positive Emotionen zu spüren, führt das noch lange nicht dazu, dass wir einen Sinn im Leben empfinden.
In diesem Dschungel der unterschiedlichen Ansätze und Theorien geht der Überblick schnell verloren. Noch können wir die Frage nach dem gelingenden Leben nicht schlussendlich beantworten. Vielleicht wäre aber auch genau solch ein "Glück nach Rezept" ein fataler Fehler, da jeder Mensch und seine individuelle Biographie einzigartig sind.
Was bleibt? Die Erkenntnis sich selbst auf den Weg machen zu müssen. Wichtige Impulse, wie ein solcher Pfad für jeden einzelnen aussehen könnte, wurden an dieser spannenden und inspirierenden Abendveranstaltung gesetzt.