Rassismus bei der Caritas? Um Gottes Willen!
Die meisten von uns würden, gefragt, ob sie sich als Rassist*innen betrachten, vehement verneinen. „Ich doch nicht.“ Aber verhalten wir uns, vielleicht nichtwissend, rassistisch oder drücken uns rassistisch aus? Ganz bestimmt. Wir leben in einer rassistischen Gesellschaft, mit einer jahrhundertealten rassistischen Geschichte und sind rassistisch sozialisiert.
Rassismus findet sich zum Beispiel offen oder versteckt in der Alltagssprache. Er kommt harmlos daher. Aus reiner Gewohnheit benutzen wir Worte und Bilder, die wir aus unserer Kindheit, aus unserer Jugend kennen. Viele Redewendungen sind diskriminierend. Das ist seit Jahren bekannt und dennoch werden sie immer und immer wieder verwendet, vielleicht unbewusst. Auf den ersten Blick, dem Blick des Sprechenden und des Nichtgemeinten, sind sie nicht beleidigend, doch sie verletzen tief die Angesprochenen.
Vor Jahren war ich in einer Diskussion über die Grenzen Asiens verwickelt. Welche Länder gehören zu Afrika und welche zu Asien? Das Streitgespräch war geprägt von der geografischen Unwissenheit aller Beteiligten. Letztendlich verstieg ich mich zu der Aussage, „Asien fängt nicht dort an, wo die Menschen Schlitzaugen haben.“ Ich schäme mich heute noch dafür. In der Gruppe war eine junge Frau, die aus einem fernöstlichen Land eingewandert war. Ich konnte sehen, wie sehr sie getroffen war. In diesem Moment wurde sie von mir als die Andersartige, die nicht Dazugehörige ausgedeutet – und das von mir, die ich selbst in meiner Kindheit als „Gastarbeiterkind“ durch meine Herkunft Diskriminierungen ausgesetzt war. Die persönlichen Erfahrungen, die Auseinandersetzung mit Rassismus schützten anscheinend nicht davor, sich gegenüber anderen abwertend zu verhalten. Eine andauernde kritische Auseinandersetzung mit sich selbst ist unerlässlich.
Es gibt unzählige weitere Beispiele. Erst vor kurzem hörte ich wieder von einer Caritasmitarbeiterin „Moorekopp“, hessisch für „Mohrenkopf“. Sie kommentierte sofort ihre Wortwahl, „Ich weiß, dass man das nicht mehr sagt. Das hat schon immer bei uns so geheißen.“ Durch Sprache werden Bilder gezeichnet. Sie prägen Erfahrungen und Gefühle und haben Einfluss auf das Verhalten. Sprache reproduziert Rassismus. Mit der Wahrnehmung der eigenen Sprache zu beginnen ist ein erster Schritt, sie zu analysieren und anzupassen, erweitert das Bewusstsein und führt zu Veränderungen, auch zu gesellschaftlichen.
Es ist möglich antirassistische Begriffe zu finden, die bekannten wie z.B. „das N-Wort“, „Farbige“ oder „dunkelhäutige Menschen“ gegen solche auszutauschen, die Betroffene für sich gewählt haben, wie „Schwarzer Mensch“ oder „People of Color“.
Rassismus ist für Nichtbetroffene oft nicht sichtbar. Er funktioniert, weil er nicht beim Namen genannt wird. Rassismus darf nicht verharmlost werden, nicht ignoriert werden, weil nicht ist, was nicht sein darf, oder weil es unangenehm ist, sich damit auseinanderzusetzen. Über Rassismus muss gesprochen werden, er muss sichtbar gemacht werden, gerade während der Arbeit, in Einzelgesprächen, in Gruppen, im Kontakt mit den Kolleg*innen. Welche Caritasdienststelle kann eine Aussage darüber machen, wie stark Klient*innen oder Mitarbeitende von rassistischer Diskriminierung betroffen sind?
Wir leben Vielfalt, wenn wir bewusst mit Schwächen umgehen.
Maria-Antonia Estol
Wer sich über Sprache gegen Rassismus informieren will, kann das unter anderem bei logo! tun:
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