Umgang mit rassistischer und radikalisierter Sprache sowie Diskriminierungserfahrung
Wir leben beunruhigende Zeiten und sehen unsere Demokratie sowie unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt in Gefahr. Die neuesten gesellschaftlich-politisch Entwicklungen (Radikalisierung in der Sprache, Aufsteigen von Rechtsextremen, Fallen von Hemmschwellen, Zunahme von Diskriminierungserfahrungen, besorgniserregende Wahlergebnisse, Schließung von Grenzen, Verbot von gendergerechter Sprache, umstrittene Migrationspolitik, Inflation) führen zu Frust und Unverständnis, die eine tiefe Spaltung der Gesellschaft mit sich bringt. Unsere gesamtgesellschaftlichen Werte schwanken, Verunsicherung macht sich bei den Menschen breit. U. a. Menschen mit Migrationsgeschichte werden zu Sündenböcken für die aktuellen Krisen gemacht.
Was können wir auf der individuellen Ebene tun? Was tun gegen Alltagsrassismus bzw. Diskriminierung und Benachteiligung im Alltag? Resignieren, weil wir machtlos sind? Weil wir als einzelne Person nicht bewirken können? Falsch! jede*r kann etwas tun, um unsere Demokratie (sowie die damit verbündeten Werte) zu verteidigen und die Stimme der „Schutzlosen“ zu sein. „Wir, als katholischer Wohlfahrtsverband, haben die Pflicht unsere Stimme gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung zu erheben. Dies als Zeichen der Solidarität für unsere Mitmenschen sowie für den Erhalt eines respektvollen Miteinanders in unserer Gesellschaft. Wir haben die Pflicht unsere Demokratie zu verteidigen und zu stärken“, so Caritasdirektorin Frau Rhein. Am Arbeitsplatz, im alltägigen Miteinander und Situationen, in Beratungskontexten können wir durch unser (Nicht-) Tun maßgebend und entscheidend viel bewirken. Solidarität und Allyship mit von Ungerechtigkeit betroffenen Menschen zeigen, ist wichtig und möglich. Jede*r kann aktiv etwas tun. Es gilt unsere eigene Positionierung, Privilegien und (Wirkungs-) Macht zu hinterfragen und für mehr Gerechtigkeit einzusetzen.
Nun sind Menschen konkret auf der Suche nach Tipps und Handlungsmöglichkeiten, wie Sie auf radikalisierte, rassistische, rechtsextremistische und diskriminierende Äußerungen reagieren können. Was ist die richtige Haltung oder Antwort als betroffene Person? In meiner Funktion als Berater*in oder wenn ich Zeuge*in von Diskriminierung wurde?
Tipps für Betroffene
Wurden Sie aufgrund eines Vielfaltsmerkmals (ethischer Herkunft, Religion…) diskriminiert, beleidigt oder angegriffen, können Sie sich wehren. U. a. das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bietet Ihnen Schutz und gewährt Ihnen zudem die Möglichkeit sich rechtlich zu verteidigen.
- Bringen Sie Ihr Leben nie in Gefahr. Sollte Ihr Leben oder das Leben von anderen Menschen in Gefahr sein, dann gilt: Sicherheit geht vor. Suchen Sie sich Hilfe und Schutz (z. B. Polizei, Nachbarschaft).
- Dokumentation: Verfassen Sie Zeitnah ein Gedächtnisprotokoll des Geschehens. Achten Sie dabei möglichst alle Details sowie relevante Informationen festzuhalten: Was ist passiert? Wer ist daran beteiligt? Wo ist es passiert? Gibt es Beweise, Zeug*innen?
- Suchen Sie eine Beratungsstelle, eine Vertrauensperson oder eine für Sie zuständige Anlaufstelle auf (Beispiele für die Caritas: MAVen oder Beschwerdestellen). Dort können Sie mit Berater*innen überlegen, wie Sie (auch rechtlich) vorgehen können. Die Berater*innen sind für Sie da und gewähren Unterstützung.
- Verbündete finden Sie ebenfalls bei Netzwerken und Organisationen. Austausch, Empowerment und Gegenseitige Unterstützung sind von großer Wichtigkeit.
Tipps für Berater*innen
Sollten Sie im Beratungskontext feststellen, dass eine Person rechtpopulistische, rassistische oder eine radikalisierte Sprache verwendet, gehen Sie nicht gleich auf Konfrontationskurs sondern bewahren Sie Ruhe.
- Vermeiden Sie es direkt und frontal mit der Person zu reden bzw. die Person zu belehren. Sondern versuchen Sie mithilfe von gezielten Fragen herauszufinden, welches Fundament / welche Ursache die diskriminierenden Äußerungen haben könnten (z. B. Frust, Verbitterung, Schickschlagschlag, prekäre Lebenssituation, finanzielle Notlage). Menschen übertragen oft Ihre Unzufriedenheit und ihren Frust auf andere Personengruppen (z. B. Menschen mit Migrationsgeschichte) und machen sie zu Sündenböcken.
- Manche Menschen sind einfach unwissend, nicht ausreichend informiert unterwegs und/oder werden mit falschen Informationen bzw. mit Informationen aus fragwürdigen Quellen versorgt. Bewusst oder unbewusst kann es zu diskriminierendes oder ungerechtes Handeln führen. Versuchen Sie als Berater*in Ihre eigenen Argumente fundiert und faktenbasiert zu untermauern. Berufen Sie sich dabei auf vertrauenswürdige Informationsquellen und weisen Sie auf alternativ Begrifflichkeiten auf (z. B. People of Color, Afro-Deutsche, etc.)
- Versuchen Sie die betroffene Perspektive darzustellen und Empathie hervorzurufen.
- Entkräften Sie pauschale Aussagen über Personengruppen, indem Sie z. B. auf einzelne Personen hinweisen und positive Bilder schaffen.
- Umgekehrt weisen Sie Menschen darauf hin, einzelne negative Erfahrungen nicht auf ganze Personengruppen zu übertragen.
Tipps für Zeug*innen
Wenn Sie Zeug*in von Diskriminierung oder Ungerechtigkeit wurden, bringen Sie sich selbst nie in Gefahr. Und schauen Sie ebenfalls nicht weg. Holen Sie Hilfe/Unterstützung, wenn nötig und/oder möglich. Suchen Sie sich immer Verbündete.
- Betroffene Menschen können Sie auch „non verbal“ unterstützen. Sie können z. B. einfach zwischen Opfer und Täter*in stehen.
- Widmen Sie sich lieber dem Opfer. Richten Sie dem Opfer Ihre Aufmerksamkeit und vermitteln Sie der betroffenen Person das Gefühl des Verständnisses sowie des Schutzes. Schenken Sie dem/der Täter*in nicht noch mehr Aufmerksamkeit. Unterstützen Sie bei der Sicherung von möglichen Beweismitteln.
- Bei struktureller und institutioneller Diskriminierung ist das Gefühl der Hilflosigkeit sowie der Machtlosigkeit groß. Dennoch verfügen wir immer (auch wenn scheinbar unbedeutend) über gewisse Macht und Handlungsmöglichkeit. Denn jeder kleiner Schritt/Tat hilft. Anstatt sich z. B. über die fehlende Barrierefreiheit einer Einrichtung zu beschweren/zu verärgern und (lediglich) Unverständnis und Mitgefühl mit der betroffenen Person zu teilen, helfen Sie lieber der Person z. B. beim Tragen des Kinderwagens, beim Übersetzen, beim Einsteigen, etc.
Tipps für Arbeitgeber*innen
Als Arbeitgeber*in haben Sie die Macht, die Möglichkeit und die Ressourcen Maßnahmen zu ergreifen und vieles zu bewegen.
- Schaffen Sie „Safe Places“ für von Diskriminierung betroffenen Beschäftigten oder gefährdeten Personengruppen.
- Schaffen Sie Räume für Begegnung und Ausrausch zwischen Ihren Mitarbeitenden.
- Positionieren Sie sich eindeutig und unmissverständlich für die Themen der Gerechtigkeit, Solidarität und Demokratie. Als Führungskraft erfüllen Sie eine Vorbildfunktion und Ihr Handeln ist wegweisend.
- Setzen Sie auf Sensibilisierungsarbeit durch Seminare, Trainings, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, Infoveranstaltungen zu Themen der Antidiskriminierungsarbeit (z. B. Anti-Bias).
- Durch Fort-, Weiterbildungsangebote und Trainings ermöglichen Sie Empowerment und schaffen ein Bewusstsein für die Themen.