Mit der Methode „World-Café“ können interessierte Bürger*innen an fünf Thementischen direkt mit den Kandidat*innen oder deren Vertretungen über die wichtigen Themen
- Wohnraum
- Altenpflege
- Gesellschaftlicher Zusammenhalt
- Migration
- Kinderbetreuung
ins Gespräch kommen. Moderiert wird die Veranstaltung von Dr. Erik Sparn-Wolf, Regionalgeschäftsführung des paritätischen Wohlfahrtsverbandes Regionalstelle Darmstadt.
Hier einige Informationen zu den Themenkomplexen:
Wohnraum
Laut einer Studie* aus dem Jahr 2020 hat allein das Land Hessen bis 2040 einen Bedarf von ca. 367.000 Wohnungen. Davon entfallen 83% (in etwa 307.000 Wohnungen) auf Südhessen. Diese Tatsache ist im Bereich der Bergstraße deutlich spürbar. Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt betrifft nicht alle Menschen gleichermaßen. Vor allem Haushalte mit geringem Einkommen müssen eine steigende Mietbelastung stemmen, geben also einen immer größeren Teil ihres Einkommens für die Miete aus. Geflüchtete und zugewanderte Menschen sind ebenfalls stärker von den höheren Mieten betroffen und geraten auf dem Wohnungsmarkt schnell in Notlagen.
Gebraucht werden nicht nur quantitativ mehr Wohnungen: es braucht bezahlbare Mietwohnungen, barrierefreie Wohnungen, lebendige, auf die Bedarfe der Menschen ausgerichtete Quartiere und Wohnungen mit einer guten Anbindung an den ÖPNV
Welche Wege sehen Sie, wie die Bundespolitik hier Einfluss nehmen kann?
Vielfach wird auf fehlende Flächen verwiesen, die neu für Wohnraum ausgewiesen werden könnten.
Wie könnte hier Politik Rahmenbedingungen und Lösungen schaffen?
Die Mietpreisbremse gilt nicht flächendeckend, sondern nur in einzelnen Kommunen. An der Bergstraße betrifft dies ausschließlich Viernheim.
Sollte diese Maßnahme auf ganz Deutschland ausgeweitet werden?
Der soziale Wohnungsbau in Deutschland befindet sich seit Jahren in der Krise: es gibt immer weniger Sozialwohnungen.
Sehen Sie Möglichkeiten für neue Impulse oder gibt es Alternativen?
Einige Kommunen haben Wohnungsbaugesellschaften. Auch das Land Hessen hatte früher einen größeren Bestand an Wohnungen, bevor es diese veräußerte.
Sollte die Bildung von gemeinnützigen, vielleicht sogar überkommunalen Wohnungsbaugesellschaften (auch) durch den Bund massiv gefördert werden – finanziell, im Baurecht, Vorzugsflächen etc.
* „Wohnungsbedarfsprognose für die hessischen Landkreise und kreisfreien Städte bis 2040“, Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt
Gesellschaftlicher Zusammenhalt
Presse und hessische Sozialverbände beklagen häufig eine Spaltung der Gesellschaft und ein Wegbrechen der Mittelschicht.
Stimmt das mit Ihren Erfahrungen überein und wenn ja, wie kann dieser Spaltung begegnet werden?
„Erstmal Ich“. Nicht nur Soziologen, auch Vereine bis hin zur Freiwilligen Feuerwehr beklagen einen starken Rückgang des freiwilligen Engagements.
Wie kann ein offenbar zunehmender Egozentrismus aufgebrochen und Ehrenamt gefördert werden?
Die parlamentarische Demokratie stellt ein wichtiges Werkzeug der politischen Mitwirkung aller Bürger*innen dar. Gleichzeitig häufen sich die Aussagen im privaten und öffentlichen Bereich, dass insbesondere die Bundespolitiker sich zunehmend vom „Bürgerwillen“ entfernen.
Welche Formen der Partizipation und der politischen Mitwirkungen sollten Ihrer Meinung nach die parlamentarische Demokratie flankieren und mehr Einfluss gewinnen?
Für Krisen – ob Corona, Klima oder Inflation – werden sehr gerne Minderheiten und Menschen am sog. Rand der Gesellschaft als Sündenböcke verantwortlich gemacht. Auch die sog. „Reichen“ sind Zielscheibe verbale oder sogar physischer Attacken.
Was ist an diesen Schuldzuweisungen aus Ihrer Sicht zutreffend und was muss Ihrer Meinung nach hier zur Auflösung von Vorurteilen konkret in der Region und im Bundesgebiet im Allgemeinen unternommen werden?
Kinderbetreuung
„Frühkindliche Bildung“ setzt sich für Chancengerechtigkeit und ‚gute‘ Bildung, Betreuung und Erziehung für alle Kinder in KiTas ein. Um diese zu gewährleisten, braucht es professionelle Frühkindliche Bildungssysteme.
Zu wenig Plätze sagt die Bertelsmann-Stiftung
Im Jahr 2023 fehlen laut Stiftung bundesweit 384.000 Plätze, in Hessen sind es laut Hessenschau rund 37.000 Plätze. Einen besonders hohen Mangel gibt es vor allem beim Angebot für die Betreuung von Unter-Dreijährigen. Um genügend Plätze schaffen zu können müssten über 10.000 Stellen neu geschaffen werden, wodurch wiederum zusätzliche Personalkosten, Betriebs- und Baukosten – vermutlich in 3-stelliger Millionenhöhe – entstünden.* (Bertelsmannstiftung)
Wie kann Bundespolitik diesen Kraftakt schaffen?
Was wären die Impulse der einzelenen Kandidat*innen?
Welche Finanzierungsformen halten Sie für förderlich?
Zu wenig Personal
Das Angebot und die Qualität der Kindertagesbetreuung unterscheiden sich in Deutschland stark je nach Wohnort eines Kindes und seiner Familie. In einigen Bundesländern sind Fachkräfte in KiTas für doppelt so viele Kinder verantwortlich wie in anderen. Aber auch innerhalb der Bundesländer erfahren Kinder je nach Region sehr unterschiedliche KiTa-Qualität. Ein wesentlicher Faktor für die Qualität ist das Personal.
Was ist, angesichts der zunehmenden Herausforderungen (kulturelle Unterschiede, Sprachbarrieren), aus Ihrer Sicht zu tun, um bestehendes Personal zu halten?
Wie würden Sie neues (Fach-) Personal für diesen Beruf gewinnen wollen?
Müsste sich aus Ihrer Sicht etwas ändern? Und falls ja was?
Wie stehen Sie zum Qualitätskriterium: dass Erzieher*innen aus derselben kulturellen und sprachlichen Gemeinschaft stammen wie die Kinder?
Eltern – Perspektive
Bei der Auswahl einer Betreuungseinrichtung spielen folgende Faktoren und Erwartungen der Eltern eine große Rolle: Kosten, Verfügbarkeit, Lage, flexible Öffnungszeiten, Warmherzigkeit der Erzieher*innen, Qualifikation des Personals, die Art des Umfelds, die Sicherheit und das Curriculum bzw. Konzept der Aktivitäten.
Wie stehen Sie zu der Forderung Eltern mehr Mitsprache im Kita-Alltag zu ermöglichen?
Gesetzesanspruch für Ganztagsbetreuungen ab 2026
Mit dem Ganztagsförderungsgesetz soll eine Betreuungslücke geschlossen werden, die nach der Kita-Zeit für viele Familien wieder aufklafft, wenn die Kinder eingeschult werden. Die Bundesregierung hatte das Vorhaben für mehr Vereinbarkeit und mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung auf den Weg gebracht. Ab August 2026 sollen zunächst alle Grundschulkinder der ersten Klassenstufe einen Anspruch erhalten, ganztägig gefördert zu werden. Der Anspruch wird in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet. Damit hat ab August 2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen eins bis vier einen Anspruch auf ganztägige Betreuung.
Das zu schaffen ist die Herausforderung für die nächste Legislaturperiode.
Was ist dazu notwendig?
Wer muss mit ins Boot geholt werden?
Wie wollen Sie die Akzeptanz der Eltern, vor allem im ländlichen Raum, dafür gewinnen?
Was müsste passieren, damit das nicht gelingt?
Verlässliche Pflege
Verlässliche Pflege im Alter bedeutet, dass ältere Menschen eine kontinuierliche und zuverlässige Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben und bei der Bewältigung von gesundheitlichen Herausforderungen erhalten. Die meisten Menschen müssen sich in ihrem Leben mit dem Thema Pflege auseinandersetzen – entweder, weil Angehörige vor allem im Alter gepflegt werden müssen oder natürlich auch, weil sie selbst ihren Alltag nicht mehr ohne fremde Hilfe bewältigen können. Somit betrifft das Thema voraussichtlich jeden.
Dabei stellen sich viele Fragen betreffend der verlässlichen Pflege im Alter wie beispielsweise:
- Wie werden professionelle Pflegekräfte langfristig gewonnen?
- Was bedeuten gute Arbeitsbedingungen in der Pflege?
- Welche Umsetzungen kann die Politik vornehmen, sodass die Qualität der Pflege in Deutschland nicht abnimmt?
- Wie kann Pflege im Alter sichergestellt werden?
Bei dem Wahltalk werden unter anderem einige dieser Fragen von den Kandidatinnen und Kandidaten der Bundestagswahl 2025 beantwortet, sodass wir an diesem Abend erfahren, wie sich die Politik den Herausforderungen stellen mag.
Flucht, Migration und Integration
Allein in Hessen leben rund 6,4 Millionen Menschen. 2,1 Millionen, d.h. rund 1/3 der Bevölkerung mit Migrationsgeschichte. 1,3 Millionen, d.h. 20% der Bevölkerung haben eine andere Staatsangehörigkeit als deutsch (Im Kreis Bergstraße knapp 17%). 2022 wurden in Hessen knapp 21.000 Erstanträge auf Asyl gestellt. [1]
Hinzu kommen ca. 80.000 Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine nach Hessen geflohen sind. [2]
Da in Deutschland ca. 300.000 Fachkräfte pro Jahr fehlen gibt es auf vielen Ebenen intensive Bemühungen Menschen aus anderen Ländern aktiv für den hiesigen Arbeitsmarkt zu gewinnen.
All dieses bringt für unsere Einwanderungsgesellschaft verschiedene Herausforderungen mit sich.
Wir wollen deshalb mit den Kandidierenden über folgende Themen ins Gespräch kommen.
Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte haben es in unserer Gesellschaft in vielen Bereichen schwer. Dies zeigt sich insbesondere in den Bereichen Bildung, Zugang zum Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt, der Gesundheitsversorgung und der wirtschaftlichen Existenzsicherung.
In welchen Bereichen sehen die Kandidierenden die größten Herausforderungen und welche Lösungsansätze vertreten sie in ihrer (möglichen) zukünftigen Rolle im Bundestag?
Auf dem Wohnungsmarkt steht kein ausreichend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung. Der Mangel besteht seit rund 2 Jahrzehnten und ist nicht auf die Zuwanderung zurückzuführen. Diese legt bestehende Probleme jedoch offen. So werden Menschen (wieder) zunehmend in Containern untergebracht. Die „Zeltstadt“ in Bensheim bekam als besonders schlechte Unterkunft bundesweite Aufmerksamkeit in den bundesdeutschen Medien.
Wo sehen die Kandidierenden die Verantwortung des Bundes, des Landes, der Kreise und der einzelnen Kommunen, um Wohnraum zu schaffen?
Wie setzen sich die Kandidierenden im Landtag für den Ausbau bezahlbaren Wohnraums ein?
Integration findet im Gemeinwesen statt. In den Städten und Gemeinden. Dort wo Menschen sich begegnen. Weiterhin engagieren sich viele Menschen vor Ort ganz konkret, um Neuzugewanderte Menschen in ihrer neuen Heimat zu unterstützen und Brücken zu bauen.
Welche Verantwortung sehen die Kandidat:innen beim Bund, dieses Engagement zu fördern und zu unterstützen und für welche konkreten Ideen und Maßnahmen würden sie sich im Landtag einsetzen?
Die staatlich finanzierten Integrationsmaßnahmen wie Integrationsklassen, Sprachkurse oder Migrationsberatungsstellen sind nicht in ausreichender Zahl vorhanden, ja es wurde sogar in diesem Bereich noch gekürzt. Die Zahl der Ratsuchenden übersteigt das Angebot in manchen Bereichen um das 4-fache.
Wie verstehen die Kandidierenden die Verantwortung des Bundes für den Erhalt und den bedarfsgerechten Ausbau von Integrationsmaßnahmen, wie Sprachkurse oder Beratungsstellen und wofür setzen sie sich im zukünftigen Landtag ein?
[1] Zahlen aus https://statistik.hessen.de/unsere-zahlen/bevoelkerung
[2] Aussage MP Boris Rhein gegenüber der Hessenschau: Ukraine-Krieg – Zahl der Flüchtlinge in Hessen stabil | hessenschau.de | Politik