Jutta Sudheimer ist nun schon 30 Jahre beim Caritasverband Darmstadt. Über all die Jahrzehnte ist sie der Frühförderung treu geblieben, denn das Konzept "Kinder fördern - Eltern stützen" war ein solches Erfolgskonzept, dass die Nachfrage nach diesem Hilfsangebot immer gestiegen ist und der Caritasverband Darmstadt nun insgesamt an fünf Standorten diese Hilfe anbietet. Jutta Sudheimer leitet drei davon und hat diese auch selbst aufgebaut, in Dieburg, Reinheim und Groß-Umstadt.
Erstgespräch ohne lange Wartezeit
Trotz der fünf Standorte müssen Hilfesuchende manchmal noch auf einen Therapieplatz warten, insbesondere die logopädischen Anfragen häufen sich seit Jahren. Nicht warten müssen die Eltern jedoch auf ein Erstgespräch. Ganz unkompliziert können sie mit ihren Kindern bei den Caritasmitarbeitenden einen Termin vereinbaren und ihre Sorgen und Nöte besprechen. "Das ist uns ganz wichtig, dass wir schnell den Kontakt ermöglichen. Jetzt können wir auch wieder Gruppenangebote machen, durch die Wartezeiten für die Familien zum Teil überbrückt werden können."
Manchmal sind es die Eltern, die dringend Hilfe brauchen, weil sie mit den Problemen überfordert sind, wenn ihr Kind behindert oder entwicklungsverzögert ist. Manchen fällt es auch nicht leicht, der Tatsache ins Auge zu blicken, dass das eigene Kind möglicherweise nie so sein wird wie andere Kinder. Durch Beratung, Eltern-Kind-Gruppen, Infoveranstaltungen und Elterngesprächsgruppen verändert sich oftmals die Einstellung. "Ich sage immer: Wir arbeiten in der Frühberatung nicht am Kind, sondern mit der Familie, nur so bekommen alle die Hilfe, die benötigt wird", bringt es die Dienststellenleiterin auf den Punkt.
Aus der kleinen Außenstelle in Groß-Umstadt wurde ein vollwertiger Standort
Damit Eltern die Hilfe für sich und die Kinder auch in Anspruch nehmen, braucht es kurze Wege. Daher wurden im März 2020 neue, größere Räumlichkeiten in Groß-Umstadt bezogen, so dass es jetzt mit Dieburg und Reinheim 3 Standorte gibt. Doch nach dem Umzug sorgte erstmal ein Betretungsverbot wegen der Corona-Auflagen dazu, dass die neuen Räume leer standen. "Da war neben einem guten Schutzkonzept an allen drei Standorten auch viel Kreativität gefragt. Aber das ist unserem zwanzigköpfigen Team sehr schnell gut gelungen."
In den zwei Jahren konnten schon viele Kinder in der Höchster Straße 20 begleitet werden und von der wichtigen Hilfe profitieren. 188 Kinder waren es insgesamt in den Ostkreis Frühberatungsstellen im letzten Jahr. Geholfen wird den Kindern durch Einzel- und/oder Gruppenangebote in den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Heilpädagogik und Psychomotorik. Die Hilfe wird schon für Säuglinge und Kleinkinder angeboten und je eher den Kindern die Hilfen des Frühberatungsteams zukommen, umso besser. "Die Kinder können in dieser frühen Zeit viele Dinge sehr gut lernen und haben oft später weniger Probleme mit ihren Einschränkungen", argumentiert Jutta Sudheimer für die Hilfe so früh wie möglich.
Beratung in Kindertagesstätten
Bei Eltern, die noch nicht viel Erfahrung mit gelingender kindlicher Entwicklungsunterstützung haben, oder möglicherweise auch vor der Feststellung zurückschrecken, ein nicht altersentsprechend entwickeltes Kind zu haben, ist es häufig erst die Erzieherin der Kindertagesstätte, die auf den Hilfsbedarf aufmerksam macht. Mitarbeitende der Frühberatungsstelle können für eine präventive Beratung der Erzieher*innen/Eltern und zur Einzelbeobachtung entwicklungsauffälliger Kinder hinzugezogen werden.
Viele Kinder, die die Frühförder-Angebote der Caritas nutzen, haben heutzutage oft unklare Diagnosen. Entwicklungsauffälligkeiten zeigen sich auf verschiedenen Ebenen: motorisch, sprachlich und psychosozial. Neben den Anmeldungen von Kindern mit einer festgestellten Behinderung nehmen die Aufnahmen mit einer "allgemeinen Entwicklungsverzögerung" seit Jahren zu. Das gilt auch für Familien mit Migrationshintergrund. Hier wird die Unterstützung von Dolmetscher*innen zunehmend wichtig.
Zu wenig Bewegung - zu viel Isolation
Leider beobachtet die Leiterin eine Zunahme von Familien, die intensiv begleitet werden müssen. Immer häufiger ist das Kindeswohl gefährdet und es braucht eine Zusammenarbeit mit dem Kinderschutzbund und Jugendamt. Wahrscheinlich sei dies u.a. auch eine Folge der Überforderung durch die Coronapandemie, als Familien mehr Zeit zu Hause verbringen mussten. Auch die Auswirkungen durch einen erhöhten Medienkonsum seien deutlich zu spüren. "Medien als Schnuller für das Kind", so Jutta Sudheimer. "In vielen Familien wird mittlerweile aus komplexen Gründen auf Vorlesen, Geschichten erzählen oder Rollenspiele verzichtet." Auch die Bewegung und das Spielen an der frischen Luft nehmen leider ab.
Der Caritasverband Darmstadt steht seit 44 Jahren als Einrichtungsträger hinter dem Angebot der Frühberatung und sicherte es auch in finanziell unruhigen, unklaren Zeiten. Seit 2012 werden die Leistungen der Frühförderung als Pflichtleistungen anerkannt und größtenteils von den Kommunen im Rahmen einer Leistungsvereinbarung gezahlt. Die umfänglichen Anträge sollen aber niemanden davon abhalten, die wichtige Hilfe in Anspruch zu nehmen. "Wir schicken niemanden weg, die Anträge füllen wir, wenn Frühförderung indiziert ist, dann gerne auch gemeinsam aus und kooperieren sehr gut mit dem Landkreis."
Wünschenswert wäre es, wenn noch Lösungen gefunden werden, wie ein Kind und seine Familie mit Schuleintritt noch eine Weile weiter durch die Beratungsstelle begleitet werden könnten. Für viele Familien ist es eine unsichere Phase mit vielen Ängsten, in der sie sich wünschen, eine Vertrauensperson an ihrer Seite zu haben. Noch gibt es dafür keine finanzierte Lösung.
Fachtag "Hilfe für Kinder psychisch kranker Eltern"
Wenn Eltern psychisch erkranken, ist diese Situation sowohl für die erwachsenen Familienmitglieder als auch für die Kinder mit vielfältigen Sorgen, Ängsten und Problemen verbunden. Es braucht ein abgestimmtes Miteinander von Psychiatrie und Kinder- und Jugendhilfe, um die Familie zu stabilisieren. Die Thematik begegnet den Mitarbeitenden der Frühberatungsstellen Dieburg, Groß-Umstadt, Reinheim und der Gemeindepsychiatrische Zentren Reinheim und Dieburg gleichermaßen. Daher luden die Fachbereiche anlässlich des 100-jährigen Caritas-Jubiläums zu einem Fachtag ein mit dem Thema: "Entwicklungsbedingungen und Unterstützungsmöglichkeiten für Kinder psychisch kranker Eltern." Der Fachtag fand am 28. September 2022 von 10-16 Uhr im Bürgerhaus Klein-Umstadt statt und wurde von den 125 Teilnehmenden als sehr interessant und impulsgebend erlebt.
Info:
- Die Frühberatungsstellen des Caritasverbandes Darmstadt e. V. bieten Hilfsangebote für Familien mit ihren Kindern im Alter von der Geburt bis zum Schuleintritt, deren Entwicklung anders verläuft als erwartet. Das Angebot richtet sich sowohl an die Kinder als auch an die Eltern und das soziale Umfeld des Kindes, wie zum Beispiel die Kindertageseinrichtung.
- Der Caritasverband Darmstadt hat Frühberatungsstellen in Darmstadt, Dieburg, Groß-Umstadt, Pfungstadt und Reinheim.
- Rund 650 Kinder und Familien kommen pro Jahr in die Caritas Frühberatungsstellen.
- Die Teams der Frühberatungsstellen bestehen aus Sozialpädagoginnen, Diplom Pädagoginnen, Heilpädagoginnen, Ergotherapeutinnen, Logopädinnen sowie Physiotherapeutinnen mit jeweils fachspezifischen Zusatzqualifikationen.
- Eltern, die sich Sorgen um die Entwicklung ihres Kindes machen, können unverbindlich und kostenfrei ein Offenes Beratungsangebot in Anspruch nehmen.
- Kontakt:
- Frühberatungsstelle für entwicklungsgefährdete Kinder und ihre Familien
- Höchster Str. 20, 64823 Groß-Umstadt, Telefon: 06078 5094010