Das Zentrum für Seelische Gesundheit der Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg in Groß-Umstadt und der Caritas-Krisendienst Südhessen möchten gemeinsam die Versorgung psychisch erkrankter Menschen verbessern – verwirklicht wird dies über Versorgungsverträge, den die Caritas mit einigen Krankenkassen schließen konnte.
Wohin gehen, wenn das Leben in eine Sackgasse führt? Für Menschen in einer seelischen Krise ist diese Frage entscheidend. „Psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Psychosen können bei jedem Menschen auftreten und mit inneren Ängsten, Unruhe und Verzweiflung einhergehen. Auch Suchtmittel wie beispielsweise ein hoher Alkoholkonsum spielen oft eine nicht unerhebliche Rolle“, erklärt Chefarzt Prof. Dr. Thomas Wobrock vom Zentrum für Seelische Gesundheit in Groß-Umstadt. Allein dort werden pro Jahr 1.200 Fälle aufgenommen; wöchentlich kommen zehn bis 20 Personen mit akuten psychischen Problemen in die Notfallambulanz des Zentrums.
Zeitnahe und bedarfsgerechte Behandlung notwendig
„Eine therapeutische Unterstützung für psychisch kranke Menschen sollte zeitnah, bedarfsgerecht und mit einer guten Vernetzung der ambulanten, stationären und komplementären Angebote erfolgen. Die Angebotsstruktur in der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung im Landkreis Darmstadt-Dieburg gibt das aber derzeit so nicht optimal her“, ergänzt der Chefarzt.
Lange Wartezeiten auf einen Termin beim niedergelassenen Psychotherapeuten und Facharzt für Psychiatrie sowie mitunter eine schlechte örtliche Erreichbarkeit sind mit die Gründe für diese unzureichende Versorgung. Bastian Ripper vom Caritas-Krisendienst Südhessen kann dies nur bestätigen: „Psychisch kranke Menschen im Landkreis Darmstadt-Dieburg müssen zum Teil enorme Strecken zurücklegen und lange Wartezeiten auf einen Termin in Kauf nehmen, wenn sie einen Facharzt benötigen.“ Er sieht darüber hinaus noch ein anderes Problem: „Die gute stationäre Behandlung wie beispielsweise im Zentrum für Seelische Gesundheit wird häufig dadurch torpediert, dass Patienten irgendwann entlassen werden und dann ohne weitere ärztliche und psychotherapeutische Betreuung erst einmal in ein Loch fallen. Das heißt, es gibt keinen Termin beim Facharzt oder Psychotherapeuten oder einen Termin erst in einigen Wochen.“
Tür-an-Tür Situation ebnet Weg zurück ins gewohnte Umfeld
Mit aus diesem Grund wurde eine Kooperation zwischen dem Caritas-Krisendienst und dem Zentrum für Seelische Gesundheit geschlossen mit dem Ziel, eine „Tür-an-Tür-Situation zu schaffen“ – eine Anschlussbehandlung, bei der Patienten von Caritas-Mitarbeitern einige Zeit begleitet werden, um wieder zurück in einen geregelten Alltag zu finden. „Im ersten Schritt werden wir vom Zentrum für Seelische Gesundheit rechtzeitigt informiert, dass ein Patient bald entlassen wird. Unsere Arbeit beginnt dann bereits auf der Station: wir kommen vorbei, stellen uns vor und kümmern uns darum, dass der Patient nach Entlassung in sein gewohntes Umfeld wieder hineingleiten kann“, erklärt Bastian Ripper die Vorgehensweise der „Tür-an-Tür-Situation“, die ein Baustein des Versorgungskonzeptes ist. „Über diese Kooperation freue ich mich sehr“, sagt Prof. Wobrock, der gleichzeitig bedauert, dass „dieses Angebot nur für Versicherte angeboten werden kann, deren Krankenkasse diese Anschlussbehandlung finanziert. Es sitzen bereits einige Kassen mit im Boot; im Sinne der Patienten wäre es wünschenswert, wenn sich weitere Kassen dem Versorgungskonzept anschließen würden.“
Versorgungskonzept Seelische Gesundheit leben
„Patienten mit einer chronischen psychischen Erkrankung sind im Landkreis Darmstadt-Dieburg mittlerweile oft ausreichend gut versorgt. Sorgen bereiten uns aber insbesondere die Menschen, die erstmals erkranken und möglichst schnell Hilfe benötigen.“ Nach Aussage von Prof. Wobrock sind das Personen, die in der Regel noch im Berufsleben stehen und häufig unter Depressionen verschiedener Schweregrade, Angststörungen oder beginnenden Psychosen leiden. „Bis diese sich über mögliche Behandlungsformen informiert haben – das kostet Zeit und vor allem Kraft, die viele in dieser Situation nicht haben“, so Prof. Wobrock. Betroffene haben meist nur die Option, entweder lange auf eine ambulante Versorgung durch Psychiater oder psychologische beziehungsweise ärztliche Psychotherapeuten zu warten oder sich in einer Klinik behandeln zu lassen, was oft eine zusätzliche Hemmschwelle für Betroffene darstellt. Zudem können im Rahmen der Psychiatrischen Institutsambulanzen (PIAs) nur bestimmte Krankheitsbilder laut eines Rahmenvertrags mit den Krankenkassen behandelt werden, gerade viele Angststörungen, leichtere Depressionen und die Früherkennung von Psychosen und Demenzen wurden ausgenommen. Dies sei angesichts der derzeitigen Versorgungssituation unverständlich.
Die gute Nachricht: Im Landkreis Darmstadt-Dieburg gibt es die „Versorgungskonzepte Seelische Gesundheit leben“, kurz „SeGel“ und das Netzwerk psychische Gesundheit (NWpG), welche von der Caritas angeboten werden. Diese beinhalten eine umfassende Versorgung des Patienten zu Hause. Betroffene erhalten neben der fachärztlichen Betreuung jede notwendige psychiatrische Pflege, werden unter Einbeziehung der Angehörigen soziotherapeutisch betreut. Bei auftretenden Krisen können sie jederzeit auf eine individuelle „Notfallbetreuung“ zurückgreifen.
„Durch das Versorgungskonzept wird für die eingeschriebenen Versicherten der Zugang auch zu fachärztlichen Leistungen im Krisenfall deutlich verbessert. Ich bin zuversichtlich, dass durch die geschaffene Tür-an-Tür Situation mit dem Caritas-Krisendienst vielen dieser Patienten bereits im Vorfeld einer weiteren Krise geholfen werden kann“, so Prof. Wobrock.
Auch der Klinikdezernent und Landrat Klaus Peter Schellhaas freut sich über die weitere Verknüpfung und den Ausbau des bestehenden Angebots. „Es ist richtig und wichtig, dass an dieser Stelle noch enger als bisher zusammengearbeitet wird. Das Zentrum für Seelische Gesundheit der Kreisklinik Groß-Umstadt und der Krisendienst der Caritas sind eine nicht mehr wegzudenkende Hilfe für Menschen in Krisensituationen“, so der Landrat Klaus Peter Schellhaas.