Es herrscht reges Treiben in der Polsterei im Schweizerhaus: An einer Industrienähmaschine arbeitet Sandra R. an einer Tasche, am gleichen Tisch arbeitet an der zweiten Maschine Marc W. an Kissen für einen Wohnwagen, am Nebentisch steht Muschira A. und schleift einen Stuhl ab während Yasra K. die Klammern von einem alten Polster entfernt. Es gibt viel zu tun, an Aufträgen fehlt es nicht. Neben dem Wohnwagenauftrag sind Stühle für die Wohngruppe eines Altenheims neu zu beziehen, zwei Stühle aus den 50er Jahren zu restaurieren und „Caritaschen“ für einen Auftraggeber herzustellen.
Bei aller Geschäftigkeit, die in dem Raum herrscht, achtet Ergotherapeut Denis Batschick darauf, dass die Arbeit für niemanden zu viel wird sondern dass die Arbeit den Menschen aus der Tagesstätte des Schweizerhauses gut tut. „Menschen mit bzw. nach einer psychischen Erkrankung haben hier die Gelegenheit sich kreativ zu betätigen. Sie gestalten damit ihren Alltag mit einer sinnvollen Beschäftigung, können neue Fähigkeiten erwerben und sich einfach ausprobieren.“
Dienststellenleiterin Sabine Heckmann freut sich, dass die noch von ihrem Vorgänger vor zehn Jahren initiierte Polsterei so gut angenommen wurde. „Die Arbeit tut unseren Klientinnen und Klienten gut. Das Wissen gebraucht zu werden gibt Motivation und Bestätigung und fördert das Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen.“
Begonnen hatte vor zehn Jahren alles mit einer Spende des Familienkreis St. Gallus, als Grundstock zum Aufbau einer Polsterei. Davon erfuhr Friedel Röth, der schon seit mehreren Jahren nach einem Abnehmer für die Einrichtungsgegenstände seines ehemaligen Polsterbetriebes suchte. Von Näh- und Bohrmaschinen, Hockern, Arbeitstischen, einem Zuschneidetisch, einer Holzwerkbank bis hin zu Tacker, Nähgarn, einem Stoffregal, Stoffen und Stecknadeln und vielem mehr reichte die Palette, die der großzügige Spender verschenkte. Räumlichkeiten wurden im Schweizerhaus umgebaut und die Polsterei eröffnet. Anfangs nur mit einer Haushaltnähmaschine ausgestattet, erwirtschaftete das Team durch die Aufträge so viele Einnahmen, dass zwei Industrienähmaschinen angeschafft werden konnten.
Von Anfang an dabei ist Marc W., ein Besucher der Tagesstätte. Der gelernte Polsterer und Raumausstatter ist sehr froh, im Schweizerhaus in seinem Beruf arbeiten zu können und dies ohne psychischen Druck. Er leitet dort auch weitere interessierte Tagesstättenbesucher an und hat mit dem Ergotherapeuten schon viele neue Ideen in die Tat umgesetzt. Seit vier Jahren werden zum Beispiel aus Kunststoffplanen kreative Taschen produziert. Da für die Taschenproduktion viel Platz benötigt wird, freuen sich alle über gutes Wetter, da dann der Hof auch als Arbeitsplatz genutzt werden kann. Viele knifflige Arbeitsschritte sind nötig, bis aus der Plane eine schöne Tasche entstanden ist. So gehört das Anbringen des schmalen Einfassbandes zu einer besonderen Herausforderung ebenso wie das Gefühl fürs Gas der Industrienähmaschine. Sandra R. und Denis Batschick sind ein so eingespieltes Team geworden, dass die beiden die rund 60 Arbeitsschritte für eine Tasche in 30 Minuten erledigen. Dankbar ist die gelernte Textilreinigerin, dass sie hier die Möglichkeit hatte, etwas völlig Neues zu lernen. „Ich habe für die Taschenproduktion meine Leidenschaft entdeckt“, erzählt sie glücklich. Sie träume davon, sich eines Tages selbst eine Industrienähmaschine kaufen zu können, um auch zu Hause arbeiten zu können.
Auch Muschira A. hatte vor dem Besuch der Tagesstätte nichts mit polstern zu tun. Vom Polsterer Marc hat sie inzwischen so viel gelernt, dass dieser mit ihrer Arbeit sehr zufrieden ist. „Ich mag diese Arbeit sehr, ich sehe, was ich am Tag geschafft habe. Ich lerne stets noch dazu und diese realitätsnahe Arbeit gibt meinem Leben einen Sinn“, so die Besucherin, die jeden Vormittag in der Polsterei verbringt. Andere Klientinnen und Klienten kommen unregelmäßiger und wieder andere haben schon nach kurzer Zeit festgestellt, dass ihnen für diese Arbeit das Fingerspitzengefühl fehlt. Für sie gibt es im Schweizerhaus dann andere Angebote, die ihren Fähigkeiten besser entsprechen.
Ob Handyhüllen, Sitzsäcke, Katzensofas, Stühle unterschiedlichster Arten und Formen, die Menschen, die in der Polsterei arbeiten sind offen für die vielen Anliegen, die an sie herangetragen werden. „Solange es die Maschinen hergeben sind wir immer bereit, Neues auszuprobieren“, so Denis Batschick.
Kontakt
Alle, die sich für einen Polsterauftrag interessieren oder eine Unikat- Trageriementasche „Caritasch“ bestellen möchten, können sich hier gerne melden:
Caritaszentrum „Schweizerhaus“
Mühltalstraße 35
64297 Darmstadt
Telefon: 06151 – 10 10 80