Da steht sie auf dem Tisch, die kleine rote Tür, die zur bundesweiten Aktion "Caritas öffnet Türen" gehört. Mit der Kampagne macht der Deutsche Caritasverband auf die sozialen Herausforderungen und strukturellen Probleme aufmerksam, mit denen Einrichtungen der Wohlfahrtspflege täglich konfrontiert sind. Dabei stellt die Kampagne eine drängende Frage: Wie lange können soziale Dienste noch aufrechterhalten werden, wenn ihre Basis bröckelt? Auch der Aufsichtsratsvorsitzende und der Vorstand des Caritasverband Darmstadt e. V. benennen beim Pressegespräch im ambulanten Pflegedienst Lützelbach konkrete Probleme und fordern, dass soziale Arbeit eine verlässliche politische, gesellschaftliche und finanzielle Rückendeckung braucht, um die vielen Türen weiter offenzuhalten.
Pflegedienst seit drei Jahren unter dem Dach der Caritas
Überwiegend aus bürokratischen und rechtlichen Gründen wechselte der Pflegedienst im Oktober 2022 von der Trägerschaft der katholischen Kirchengemeinde Seckmauern zum Caritasverband Darmstadt e. V. "Es ging damals um nicht weniger als die Frage: Bleibt die Pflege in Lützelbach dauerhaft wohnortnah möglich oder nicht?", so Caritasdirektor Winfried Hoffmann. Die Caritas habe diese Tür im ländlichen Raum offen gehalten. Darüber war auch die Einrichtungsleiterin Anja Walther, die eine Mitinitiatorin des Trägerwechsels war, sehr froh: "Wir erleben jeden Tag, wie wichtig es ist, dass Menschen in vertrauter Umgebung gepflegt und begleitet werden. Doch dafür brauchen wir nicht nur Herz, sondern auch verlässliche Strukturen." Ihr 18-köpfiges Team besucht 90 Klientinnen und Klienten im Monat und ist für viele Menschen, die mit der Pflege, Behandlungspflege und Hauswirtschaft überfordert sind, ein wichtiger Anker. Hinzu kommen noch ca. 45 Beratungsbesuche. "Wenn wir die Türen zu menschenwürdiger Pflege auch in Zukunft öffnen wollen, dann brauchen wir klare politische Signale zur Refinanzierung, zur Fachkräftesicherung und zur Anerkennung unserer Arbeit", so ihr Fazit.
Kirche und Caritas bauen gemeinsam Brücken
Ein besonderer Schwerpunkt des Pressegesprächs war die enge Kooperation zwischen Caritas und Kirche im Odenwald, wie sie bereits im Caritaszentrum Erbach gelebt wird. Denn dort arbeiten kirchliche Seelsorge und caritative Praxis bereits seit Jahrzehnten als tragfähiges Netzwerk eng und vertrauensvoll zusammen. "Kirche und Caritas gehören zusammen, das zeigt sich besonders in Erbach ganz praktisch. Diese Partnerschaft wollen wir ausweiten, um als Kirche im Odenwald sozial, sichtbar und wirksam zu bleiben", so der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Harald Poggel, Leiter des Pastoralraums Odenwaldkreis. Das Bistum Mainz sieht die Erbacher Zusammenarbeit als Modell für eine zukunftsfähige Kirche und empfiehlt auch darüber hinaus sogenannte "Tandem-Teams" aus Caritas und pastoralen Akteuren.
Auch die Leiterin des Caritas Zentrums Erbach, Nadja Riss, ist für die enge Zusammenarbeit sehr dankbar. Sie wünscht sich für die weiteren Phasen des Pastoralen Weges und die Übertragung des Erbacher Modells auf andere Orte "kurze Wege, offene Türen und gemeinsame Verantwortung. Wenn Kirche und Caritas ihre Kräfte bündeln, können wir auch im ländlichen Raum soziale Isolation überwinden."
Suchthilfe, die ankommt - jetzt auch in Lützelbach
Das Caritaszentrum Erbach bietet seit vielen Jahren auch viele Suchthilfeangebote an. Diese werden nun seit Mai 2025 in Lützelbach weiter ausgebaut. "Unser Ziel ist es, Menschen mit Suchterkrankungen wohnortnah zu erreichen, das Thema zu entstigmatisieren und Betroffene sowie Angehörige zu begleiten, sowohl mit Gruppenangeboten, Beratung und präventiver Arbeit", so die Leiterin der Dienststelle, Lena Krebs. Suchthilfe sei ein Thema, das oft im Verborgenen bleibe. Auch in ländlichen Gebieten sei der Bedarf hoch und die Versorgungslage häufig dünn. "Caritas öffnet hier Türen zu Hoffnung, Therapie und einem neuen Weg aus der Sucht."
Caritas im Odenwald: mit eigenen Mitteln, aber nicht alleine
Wie an anderen Standorten des Verbandes, wird auch die Arbeit im Odenwald maßgeblich durch Eigenmittel des Caritasverbandes getragen - darunter auch Kirchensteuermittel, die durch sinkende Mitgliederzahlen immer knapper werden. "Wir stemmen viel aus eigener Kraft, aber auf Dauer ist das nicht tragfähig. Pflege, Suchthilfe und die weiteren Zentrumsangebote müssen verlässlich finanziert werden - auch und gerade im ländlichen Raum", so Caritasdirektorin Stefanie Rhein. "Unsere Angebote in Erbach und Lützelbach zeigen eindrücklich: Wenn Strukturen da sind, wenn Kirche, Fachkräfte und Ehrenamt zusammenwirken, dann kann soziale Teilhabe gut im Odenwald gelingen." Besonders dringend sucht das Caritas Zentrum Erbach derzeit ehrenamtlich Engagierte für die Kinder Kleider Kiste und für das Patenschaft-Projekt KiWi - Kinder Willkommen. Familienpatenschaften. Interessierte können sich gerne melden unter 06062 955330 oder info@caritas-erbach.de.
Angebote der Caritas im Odenwald:
ERBACH
CARITAS ZENTRUM / Familienzentrum, Hauptstraße 42, 64711 Erbach
Tel. 06062 95 533-0
- Allgemeine Lebensberatung
- Schwangerschaftsberatung
- Ehe-, Familien und Lebensberatung
- Patenschaftsangebot "KiWi"
- Babykleiderkammer
- Betreuungsverein im Odenwaldkreis e. VF
- Fachambulanz für Suchtkranke
- Beratung und Behandlung
- Assistenz in Wohnen und Alltag (Betreutes Einzelwohnen)
- Drop in(klusive), Wilkommensort für Familien mit kleinen Kindern bis 3 Jahre
- Seniorenhilfe "Else" für Erbacher Bürger*innen
LÜTZELBACH
AMBULANTE PFLEGE Lützelbach, Maihohl 7, 64750 Lützelbach/Odenwald
Tel. 09372 944160
Caritas öffnet Türen für sozialräumliche Themen, hier im Austausch: Winfried Hoffmann, Caritasdirektor, Nadja Riss, Leitung Caritas Zentrum Erbach, Ahu Sultan Kalayci, Stabsstelle Koordination Ambulante Dienste, Anja Walther, Leitung Ambulante Pflege Lützelbach, Miriam Drolshagen, Vorstandsreferentin, Leon Reinel, AG Gemeindepastoral, Pfarrer Harald Poggel, Leiter des Pastoralraums Odenwaldkreis und Aufsichtsratsvorsitzender des Caritasverbandes Darmstadt e. V. (v.l.n.r.)