Wer derzeit am Caritas Zentrum Franziskushaus vorbeiläuft, staunt über das große Banner, das die Fassade des Gebäudes schmückt. Das Thema Frieden zeigt sich über drei Stoffbahnen in vielen Zeichnungen und Worten, gestaltet von Besucher*innen des Cafés, Mitarbeitenden und Klient*innen. Entstanden ist ein Kunstwerk, das gerne zum Verweilen und Innehalten einlädt.
1000 Friedenstauben
Zum Innehalten laden auch die 1.000 an der Decke flatternden Friedenstauben im Foyer ein, die dank vieler fleißiger Hände gefaltet wurden.
Impulsreferat von Dr. Swantje Goebel
Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Doch wo beginnt dieser Frieden? Bei mir? Bei dir? Eine Diskussion mit Teilnehmenden aus Politik, Kirche und sozialer Arbeit sollte diese Fragen beantworten. Zunächst führte Dr. Swantje Goebel, Geschäftsführerin Hospiz Bergstraße, mit einem berührenden Impulsreferat in das Thema "Frieden beginnt bei mir" im Café Klostergarten ein. Die Soziologin begleitet seit vielen Jahren Menschen im Sterbeprozess. Sie hatte haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende, die Sterbende auf ihrem letzten Weg begleiten, gefragt, was sie unter innerem Frieden verstehen. Die Antworten waren so bunt wie das Leben selbst. Auch die Auszüge zweier schriftlicher Vermächtnisse mit sehr unterschiedlichen Haltungen zum Leben und Sterben machten auf berührende Art deutlich, was wir von Sterbenden über Frieden lernen können.
Als Mensch unter Mitmenschen brauche es für den Frieden mit sich selbst auch ein Gegenüber, welches zuhört und mitfühlt, ein Miteinander, welches das Leben lebenswerter mache, bis zum Schluss.
Ob nur der Friede erstrebenswert sei, fragte die Soziologin und gab selbst die Antwort: Nein! Auch der Unfriede könne Kräfte wecken und dazu motivieren, das Leben in die Hand zu nehmen. So habe auch die Hospizbewegung ihren Ursprung in einer Unzufriedenheit. Großartiges habe sich daraus entwickelt, eine gelebte Solidarität.
Podiumsdiskussion zum Thema Frieden beginnt bei mir
Frieden und Unfriede, das Thema wurde im Anschluss mit weiteren Gesprächspartner*innen vertieft. Andreas Waldenmeier, Leiter des Caritas Zentrums, gelang es, mit seinen zum Teil auch persönlich zugespitzten Fragen eine sehr kurzweilige Gesprächsrunde zu moderieren.
Stephanie Rieth, die Bevollmächtige des Generalvikars, hat als Verantwortliche für Intervention, Aufarbeitung und Prävention im Bistum Mainz schon große Fußspuren gesetzt. Nicht alle sehen sie dabei als Friedensstifterin, sie sorge manchmal auch für einen Unfrieden im produktiven Sinne, sagte sie. "Frieden kann nur wachsen, wenn ich einerseits bereit bin, Stellung zu beziehen gegen Unrecht und für die, die Schutz bedürfen. Zugleich muss mein Handeln aber immer die Verständigung zum Ziel haben. Frieden beginnt bei mir, darf da aber nicht stehen bleiben."
Auch für Bürgermeisterin Christine Klein gehört das Streiten mitunter dazu, um den inneren Frieden zu finden. Ob als Kämpferin für Frauenrechte und Chancengleichheit in ihrer 42-jährigen Zeit als Kriminalbeamtin oder als Vorsitzende des Vereines Bergstraße e. V., immer wieder habe sich gezeigt, dass es Diskussion und Auseinandersetzung brauche, um in der Gesellschaft weiterzukommen. Dass sie dabei oftmals zur Außenseiterin wurde, sei nicht einfach gewesen, doch - auch dank der Erfolge und positiven Entwicklungen - habe sie ihren inneren Frieden gefunden. Seit vier Jahren ist sie nun Bürgermeisterin in Bensheim und auch hier kämpfe sie weiter gegen Ungerechtigkeiten. "Ich scheue den Konflikt nicht und ecke in der Politik immer wieder an."
Der Hauptamtliche Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf stimmte ihr zu. Um das beste Ergebnis müsse oft gerungen werden. Das sei es auch wert, denn die Politik müsse Lösungen finden, die möglichst vielen Menschen helfe. Eine empathische Politik müsse an die Wurzeln der Unzufriedenheit gehen. Auch er findet, dass zum Frieden auch der Unfriede gehöre, der Streit, das miteinander Ringen, aber auch die Verständigung, das Bereit sein, den Blick des Gegenübers zuzulassen. Leider sei der innere Friede der Gesellschaft sehr zerbrechlich geworden und es habe eine Grenzverschiebung gegeben, was gesellschaftlich akzeptiert und hingenommen werde. Ausgrenzung sei da keine Lösung. "Wir brauchen Zuversicht, keine Klagen. Wir müssen uns fragen, was sind die Grundwerte, die die Gesellschaft zusammenhält. Für diese Werte müssen wir aufstehen, uns engagieren und anpacken und die Menschen mitnehmen."
Der Dipl. Sozialwirt Herrmann Kirchmann betonte, dass es keinen Frieden ohne Gerechtigkeit gebe und umgekehrt. "Wir schauen zu wenig in die Gesellschaft hinein und reklamieren zu wenig, was zu Unfrieden führt." Wichtige Ansatzpunkte seien die hohe Kinderarmut und Arbeitslosigkeit, die zu Perspektivlosigkeit führe. "Das müssen wir thematisieren. Da braucht es Teilhabe." Beim Satz "Frieden beginnt bei mir" fehle ihm der Mitmensch. "Frieden beginnt bei mir - mit euch!", treffe es da besser.
Es brauche mehr solcher Sprachräume, wo über das, was die Menschen bewegt, gesprochen werden kann, denn gerade in schwierigen Zeiten sei es wichtig im Gespräch zu bleiben, so Caritasdirektorin Stefanie Rhein. Richtig wütend mache sie, dass zurzeit im sozialen Bereich die Mittel bei vielen Projekten gekürzt werden. "Die Arbeit unserer Mitarbeitenden ist sehr wertvoll. Bei unterschiedlichsten Sorgen und Nöten bieten sie oftmals verzweifelten Menschen neue Perspektiven an. Auch das ist ein Beitrag zum Frieden der Gesellschaft und sollte gefördert werden!"
Dass die Caritastage auf so unterschiedliche Art und Weise das Thema Frieden beleuchten, das sei ein großer Verdienst der Mitarbeitenden des Caritas Zentrum Franziskushaus. Mit vielen Kooperationspartner*innen sei es gelungen, das Thema in Bensheim ins Gespräch zu bringen. Dafür sei sie sehr dankbar. Und auch das Publikum - es hätten gerne mehr Besucher*innen sein dürfen - war dankbar für die inspirierenden Impulse.
Wo beginnt Frieden?
Zurück zur Anfangsfrage: Wo beginnt Frieden? Als Caritas sind wir davon überzeugt: bei dir und uns allen wird der Grundstein für ein friedvolles Miteinander gelegt.