In Darmstadt leben aktuell etwa 1.800 zugewiesene Flüchtlinge, im Landkreis Darmstadt-Dieburg rund 3.844. Viele Neuankömmlinge sind in ihrer psychischen Gesundheit durch die Erfahrungen in den Krisengebieten und auf der Flucht schwer belastet. Hinzu kommt, dass Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Deutschland weiteren Stressfaktoren ausgesetzt sind: Sie müssen sich an komplett neue Lebensumstände gewöhnen, können nicht arbeiten und ihr Aufenthaltsstatus bleibt lange unklar. Zudem stoßen sie im Gesundheitssystem auf sprachliche, kulturelle und administrative Hindernisse. Oftmals sind posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen, Angst- und schwere Anpassungsstörungen bis hin zu Suizidversuchen die Folgen dieser Belastungen. Das stellt die Gesundheitsversorgung vor enorme Herausforderungen - ganz besonders den Bereich Psychiatrie und Psychotherapie.
Gründe genug für die Wissenschaftsstadt Darmstadt und den Landkreis Darmstadt-Dieburg nach Möglichkeiten zu suchen, die psychosoziale Situation von Flüchtlingen zu verbessern und Flüchtlinge möglichst schnell in das bestehende psychosoziale Netzwerk einzubinden.
Gemeinsam mit dem Caritasverband Darmstadt starten Stadt und Landkreis ein zweijähriges Projekt, um geflüchtete Menschen möglichst schnell adäquate Hilfe zu bieten. Die Sozialdezernentinnen Barbara Akdeniz und Rosemarie Lück sind froh, mit dem Caritasverband Darmstadt einen erfahrenen und kompetenten Partner zu haben, der ein breites Spektrum zur psychosozialen Versorgung in verschiedenen Lebenslagen anbietet, welches auch Flüchtlingen zur Verfügung steht. Zudem hat der Verband seit über 50 Jahren Erfahrung in der Beratung von eingewanderten Menschen, Asylsuchenden und Flüchtlingen.
Zwei neue Mitarbeiterinnen verstärken nun das Team des Migrationsdienstes, um das neue Hilfsangebot mit den drei Grundpfeilern Gesundheit, Integration und Prävention in beiden Regionen zu fördern. Die Mitarbeiterin für Darmstadt wird mit der neuen Aufgabe im Januar 2017 beginnen, für den Landkreis Darmstadt-Dieburg ist Marion Silberreiss seit 1. August tätig. Die gelernte Diplompsychologin mit einer Zusatzausbildung als transkulturelle Beraterin und Approbation als Psychotherapeutin sieht dieser Aufgabe mit großer Neugierde entgegen. "Zu wissen, wo Hilfsangebote bestehen und wie sie genutzt werden können, ist für alle Beteiligten, ob Hauptamtliche, Ehrenamtliche oder Flüchtlinge selbst, ein großes Anliegen. Mit dem neuen Projekt möchten wir Flüchtlinge zu Institutionen der psychosozialen Versorgung hinführen, die Angebote öffnen, Institutionen und Flüchtlinge beraten und präventive Angebote durchführen, um die Flüchtlinge möglichst schnell in das bestehende psychosoziale Netzwerk einzubinden", so die 52jährige gebürtige Bonnerin, die lange Jahre in Frankreich lebte. Beide Eltern hatten Fluchten erlebt, bevor sie vorzugsweise in Paris lebten. Dort studierte Marion Silberreiss Philosophie und wechselte zum Studium der Psychologie nach Deutschland. Zehn Jahre arbeitete sie als Psychologin in einer Unternehmensberatung bevor sie eine eigene Praxis eröffnete. Neben ihrer Arbeit war sie lange Jahre ehrenamtlich bei Ärzte ohne Grenzen tätig. Als im letzten Jahr die vielen Flüchtlinge nach Deutschland kamen, hat das Schicksal der Menschen sie sehr berührt und sie sah in der neuen Aufgabe eine Chance, ihr Wissen einer breiten Basis zur Verfügung stellen zu können. Für die Mitarbeitenden des Caritasverbandes und anderer Institutionen sowie Ehrenamtliche aller Träger bietet sie nun Sprechstunden, Seminare und Fortbildungen an.
"Ob in der Suchthilfe, in der Allgemeinen Lebensberatung oder in unseren Gemeindepsychiatrischen Zentren, es gibt kaum mehr eine Dienststelle, bei der die Mitarbeitenden nicht auch Flüchtlinge beraten", berichtet Caritasdirektor Franz-Josef Kiefer. "Im Umgang mit Traumatisierungen oder auch anderen psychischen Problemen und Störungen werden unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in schwierigen Situationen in ihrer wertvollen Arbeit nun durch fachliche kollegiale Beratung unterstützt."
Der Caritasdirektor ist froh, in der Stadt und im Landkreis dieses Projekt anzubieten, welches von der Wissenschaftsstadt Darmstadt, dem Landkreis Darmstadt-Dieburg und dem Caritasverband Darmstadt gemeinsam finanziert wird.
"Es ist mir wichtig, die Zugänge zu den Hilfesystemen für die geflüchteten Menschen zu öffnen und die Vernetzung der auf verschiedenen Ebenen bereits vorhandenen Angebote zu verbessern", so Sozialdezernentin Barbara Akdeniz. Ihre Amtskollegin des Landkreises Darmstadt-Dieburg sieht das genauso, denn "eine frühzeitige Hilfestellung fördert nicht zuletzt eine nachhaltige Integration in unsere Gesellschaft", so Rosemarie Lück
Da sich der seelische und körperliche Gesundheitszustand von Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften oft verschlechtere sollen Gesprächskreise aufgebaut werden, in welchen die Flüchtlinge ihre Probleme mit Menschen mit Migrationshintergrund, sogenannten Peers, besprechen können. "Diese Menschen möchte ich ausbilden und weiter begleiten, damit sie eine Selbsthilfegruppe führen können. Denn über Probleme zu sprechen statt nur frustriert im Zimmer zu sitzen ist ein erster wichtiger Schritt", so Marion Silberreiss. Während sie selbst keinen direkten Kontakt zu Flüchtlingen hat, wird die neue Kollegin in Darmstadt auch Geflüchtete und ihre Familien ansprechen und auf ihre Lebenssituation, ihre Ressourcen und ihre Besonderheiten eingehen, dafür aber keine Seminare und Fortbildungen anbieten.
Die Büros der beiden Mitarbeiterinnen finden sich im Caritashaus in der Heinrichstraße 32A, im Erdgeschoss.