Es war vor knapp zehn Jahren, als das Leben von Micha S. aus den Fugen geriet. Familiäre Probleme und eine psychische Erkrankung führten nach der Schule dazu, dass sowohl die Ausbildung zum Bäcker als auch die Ausbildung zur Sozialassistenz abgebrochen wurden. Die meiste Zeit verbrachte er zu Hause, von der Umwelt isoliert. Dass sich dann alles zum Guten wendete verdanke er seinen Großeltern und der Caritas, erzählt der heute 27-jährige junge Mann, der mit seiner Lebensgeschichte anderen Mut machen möchte, denen es zur Zeit nicht gut geht.
„Meine Großeltern haben versucht, mir aus der Isolation raus zu helfen und haben mit mir das Caritaszentrum in Reinheim besucht, um mir Hilfe zu holen“, berichtet Micha S. von seinem ersten Kontakt mit der Caritas. Im Beratungsgespräch habe er sich schnell gut verstanden gefühlt, er habe Mut erfahren, etwas womit er als damals 23-Jähriger fast nicht mehr gerechnet habe. Als erstes besuchte er die Tagesstätte in Reinheim. Jeden Morgen aufzustehen und nicht mehr die Nacht zum Tage zu machen, habe ihm geholfen, wieder einen Rhythmus zu finden. Die aufmunternden Worte von allen, wenn es mal nicht so gut lief, und das Gefühl zu spüren, dass alle an ihn glaubten haben ihm den Lebensmut zurückgegeben. Schnell machte er sich in der Küche der Tagesstätte nützlich, half im Grünen Haus im Café aus und absolvierte von Januar bis September 2016 ein Praktikum in der Küche vom Bistro D42 in Darmstadt. Mit dem Koch Boris Iacopini habe er von Anfang an eng zusammengearbeitet und viel gemeinsam aufgebaut. Immer mehr traute er sich zu und meisterte sechs-Stunden-Tage problemlos. Mit der Einstiegsqualifizierung begann er im September 2016 die Ausbildung zum Koch. Als Klassenbester macht ihm heute die Schule richtig Spaß. „Ich bin motiviert dabei, das Lernen fällt mir leicht. Früher fühlte ich mich oft niedergeschlagen heute fühl ich mich aktiv im Kopf“, erzählt der sympathische junge Mann, der auch seine anfänglichen Bedenken gegenüber einer Therapie erwähnt. „Vom Verband wurde ich auf die Möglichkeit einer Therapie hingewiesen. Erst war ich sehr skeptisch, doch nun weiß ich, dass die Therapie mir sehr geholfen hat. Es ist nicht erniedrigend, sondern ich habe dabei viel gelernt. Ich hoffe, dass ich anderen Mut machen kann, diesen Weg zu gehen, die vielleicht jetzt noch Bedenken und Angst vor diesem Schritt haben.“
Dies ist nicht die einzige Erfolgsgeschichte, die der Karolinger Hof, der vor fünf Jahren seinen Betrieb in Lorsch eröffnete, schrieb. „In den vergangenen fünf Jahren wurde das Ziel des Caritasverbandes, Menschen mit den unterschiedlichsten Vermittlungshindernissen eine Beschäftigung, Ausbildung oder Anstellung in einer geschützten, aber dennoch echten Arbeitsumgebung zu ermöglichen, sehr erfolgreich umgesetzt“, so Caritasdirektorin Stefanie Rhein.
Vielen bietet das Gastronomieprojekt AktivO eine neue Chance. Das zwölfmonatige Beschäftigungsprojekt wird über das Jobcenter Neue Wege Kreis Bergstraße gefördert. Mit den Fallmanagern findet auch eine Zusammenarbeit statt, um eine weitere berufliche Perspektive wie z.B. eine Ausbildung oder eine Anschlussmaßnahme für die Teilnehmenden zu besprechen.
Die Sozialpädagogische Maßnahmeleitung Sari Bayertz unterstützt die Teilnehmenden, begleitet und berät sie. Die speziell qualifizierte und erfahrene Diplom-Sozialpädagogin hilft auch, die Finanzierungswege sicher zu stellen und beantragt entsprechende Fördermittel.
Aber auch die weiteren Mitarbeitenden im Team, Ausbilder*innen, Anleiter*innen, pädagogische Fachkräfte, Restaurant- und Hotelfachfachkräfte sowie Köche, stehen den teilnehmenden mit Rat und Tat zur Seite und werden vom Caritasverband Darmstadt für die Arbeit mit psychisch kranken Menschen speziell geschult. Denn im Projekt wird zum Beispiel auch ein Koch als Pädagoge gefordert, da es den Menschen nicht an allen Tagen gleich gut geht.
„Im Jahr 2017 war der Anteil der Teilnehmenden mit psychischen Beeinträchtigungen oder mehrfachen Einschränkungen erneut mit über 50 Prozent deutlich erhöht“, berichtet Betriebsleiterin Claudia Bock. „Es zeigte sich, dass durch die intensive Begleitung und Betreuung, sowie die beratende Unterstützung, diese Teilnehmerinnen und Teilnehmer zunehmend stabil werden und die Maßnahme positiv für sich nutzen konnten.“
Unter Berücksichtigung der Einschränkungen der Teilnehmenden lag der Schwerpunkt der Betreuung auf der persönlichen Stabilisierung und Aktivierung, um sie so für weitere Vermittlungsmaßnahmen vorzubereiten.
Der Anteil der Teilnehmenden mit Migrationshintergrund lag bei 56,3%. „Besonders erfreut sind wir über die hohe Quote von Vermittlungen in Arbeit und Ausbildung von über 25%, die zeigt, dass bei entsprechender Motivation und Unterstützung eine Integration in den Arbeitsmarkt auch trotz großer Vermittlungshemmnisse möglich ist“, so Claudia Bock. Als sehr hilfreich wurde von den Arbeitgebern die mögliche Nachbetreuung empfunden, weil dadurch in der ersten Zeit noch ein Ansprechpartner bei auftretenden Unsicherheiten zur Verfügung stand.
„Bei persönlichen Problemlagen, wie zum Beispiel Schulden, Sucht oder psychische Erkrankung geben wir in Einzelgesprächen wichtige Informationen über mögliche Hilfsangeboten, zu denen wir auch weitervermitteln“, so die Betriebsleiterin.
Zwischen 17 und 34 Jahre sind die neun Auszubildenden, die im Karolinger Hof als Köche, Hotelfachmann und Fachkraft im Gastgewerbe ausgebildet werden. Drei junge unbegleitete Flüchtlinge aus Afghanistan werden schwerpunktmäßig über das Bistum Mainz finanziert und erhalten so eine neue Zukunftschance. Zwei Personen machen das erste Lehrjahr über die Einstiegsqualifizierung, welche über Neue Wege Kreis Bergstraße und die Bundesagentur für Arbeit finanziert wird.
Caritasdirektorin Stefanie Rhein lobt das Team, welches in fünf Jahren verschiedene Kostenträger gewinnen konnte, so dass neben Langzeitarbeitslosen und Menschen mit geistigen oder psychischen Behinderungen auch Menschen mit körperlichen Behinderungen sowie Jugendliche mit Entwicklungsverzögerungen und Lernbehinderungen hier eine neue Chance erhalten.
Das gute Miteinander, der gute Teamgeist ist auch für die Gäste spürbar. „2017 betrug die durchschnittliche Zimmerbelegung 70 Prozent. Insgesamt wurden 4.000 Reservierungen bearbeitet, rund 3.000 Personen haben eingecheckt. Für Lorsch und Bensheim werden täglich für rund 160 Personen gekocht und zusätzlich werden Tagungen und Veranstaltungen bewirtet. Insgesamt haben wir 280 Feiern, Tagungen und Veranstaltungen im Jahr 2017 mit über 7.850 Gästen organisiert und durchgeführt“, berichtet der stellvertretende Betriebsleiter Frank Hofmann.
Für den herausragenden Service und die Kundenfreundlichkeit wurde das Hotel im Jahr 2017 ausgezeichnet, das vierte Mal hintereinander.
„Wir sind allen dankbar, die uns bei diesem Projekt als Kooperationspartner unterstützen. Gemeinsam sind wir guten Mutes, dass wir vielen helfen, wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, so die Caritasdirektorin. Der Caritasverband Darmstadt geht dabei mit gutem Beispiel voran und hat neben dem Karolinger Hof auch schon Arbeitsplätze im Café Klostergarten in Bensheim und im Café in Darmstadt geschaffen.
Karolinger Hof im Überblick:
- Gastronomischer Betrieb mit wochentäglichem Mittagtisch
- Veranstaltungsgastronomie für Familienfeierlichkeiten aller Art, 80 bis 100 Gäste finden hier genügend Platz
- Individuelle Tagungsmöglichkeiten in zwei Tagungsräumen für je 24 Personen mit moderner Tagungstechnik
- Hotel mit elf Zimmern und zwei Studios
Das Projekt bietet:
- AktivO-Maßnahme:
Aktivierung und Orientierung von langzeitarbeitslosen Menschen im ALG-II-Bezug in Kooperation mit Neue Wege Kreis Bergstraße
12 Maßnahmeplätze in den Bereichen Küche, Service und Hauswirtschaft in den Betriebsstätten Hotel Karolinger Hof, Lorsch und Café Klostergarten in Bensheim - Ausbildung und Praktika für chancenarme Jugendliche und junge Erwachsene
Mit derzeit neun Ausbildungsplätzen in den Ausbildungsberufen Fachkraft im Gastgewerbe, Koch / Köchin, Restaurantfachfrau/-mann, Hotelfachfrau/-mann - Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für psychisch kranke und schwerbehinderte Menschen mit neun Arbeitsplätzen
- Zuverdienstmöglichkeiten (i. d. R. von Tagesstätten)
Niedrigschwelliges Arbeitsangebot - Maßnahmen im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe an Arbeit (SGB IX) über das Persönliche Budget, derzeit vier Teilnehmende
Kontakt
Karolinger Hof
Hotel – Restaurant
Lindenstraße 14
64653 Lorsch
Telefon 06251 – 17 52 0-0
info@karolinger-hof.de, www.karolinger-hof.de
Träger
Caritasverband Darmstadt e. V.
Kooperationspartner
- Neue Wege Kreis Bergstraße
- Deutsche Rentenversicherung
- LWV
- HEPAS-Programm und Integrationsamt
- Agentur für Arbeit
- Bistum Mainz
- DESTAG-Stiftung