Es war eine Umstellung, da sind sich beide einig. Vom bis dahin gewohnten Schulalltag war der Schritt in die Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen ein gewaltiger. "Da war ich im ersten Monat ganz schön platt", berichtet die 19-Jährige Duygu. Doch sie habe sich schnell an diese "ganz andere Art von Energie" gewöhnt und habe viel Spaß an der Arbeit. Mittlerweile fühle sie sich im Team der Tagesstätte wohl und auch die Klient*innen freuen sich über den "frischen Wind", den die jungen Menschen in den Arbeitsalltag bringen.
FSJ in der Tagesstätte
Es gibt hier so viele verschiedene Angebote, da schau ich immer, wo ich mich einbringen kann." Oftmals organisiert Duygu die Morgenbewegung, spielt oder bastelt mit den Klient*innen, liest mit ihnen und hat ein offenes Ohr, denn es geht auch um gemeinsame Gespräche. "Die Zeit von Oktober bis heute habe ich viel über mich selbst gelernt. Ich habe gelernt, Grenzen zu setzen. Das kommt mir auch im Privaten zugute." Das liege auch an der guten Begleitung, denn die Caritasmitarbeiterinnen der Tagesstätte Kristina Riepenhausen und Nadja Schneider stehen der FSJ-lerin als Anleiterinnen zur Seite. Somit ist Duygu mit ihren vielen Fragen nie allein, sie wird gefördert und gefordert, das gefällt ihr und so hat sie den spontanen Entschluss, ein FSJ zu machen nicht bereut. Die Zeit bis zum Sommer möchte sie nutzen, sich über ihre Zukunft Gedanken zu machen. Momentan steht der Berufswunsch Kindertherapeutin bei ihr an erster Stelle, aber das könne sich nochmals ändern und zuerst möchte sie nach dem FSJ auf Reisen gehen.
FSJ im Betreuten Wohnen
Eine spontane Entscheidung für das FSJ traf auch die 18-jährige Sonja Braig. Ausbildung zur 2-Rad-Mechatronikerin oder FSJ - letzteres machte das Rennen, auch um die Entscheidung Psychologie- oder Medizinstudium besser treffen zu können. Nun vier Monate später ist die Entscheidung für Medizin gefallen. Im Mai starten die Auswahlverfahren.
Im Betreuten Wohnen sind die Aufgaben nochmals andere als in der Tagesstätte. Gemeinsam mit den psychisch kranken Menschen arbeitet Sonja im Waschsalon, wo Wäsche für Kund*innen gewaschen, gebügelt und gemangelt wird, spielt mit den Klient*innen im offenen Bastelcafé und organisiert es auch mit, packt im Sekretariat mit an, übernimmt Büroarbeit und Postdienste oder betreut den Hofdienst in der Sturzstraße. Auch bei ihr stimmt die Chemie mit den Klient*innen und dem Team. Anleiterin Anna Heiß gefällt, wie schnell sich Sonja mit den Aufgaben vertraut gemacht hat, sich in komplizierte Excel-Listen einarbeitet und bei der Arbeit keine Mühen scheut. "Es sind viele Aufgaben zu erledigen und dies zu koordinieren, dass es dynamisch funktioniert, das hat mich anfangs ganz schön gefordert", so die Empfindung der FSJ-lerin, die aber schnell viel Routine entwickelt hat.
Die Teilnahme an Team- und Fallbesprechungen aber auch die gemeinsamen Bildungswochen, ein Treffen der rund 300 FSJ-ler*innen in Hessen, sind für beide eine weitere Bereicherung. Zum Glück konnte die erste Bildungswoche sogar in Präsenz stattfinden, das habe richtig zusammengeschweißt, meint Duygu.
Win-Win für alle
Die erste FSJ-lerin begann im GPZ Darmstadt 2010. Seither nutzen junge Menschen jedes Jahr aufs Neue die Gelegenheit, sich auszuprobieren, mit Menschen zu arbeiten und Berufsfelder kennenzulernen. Die Gründe sind bei jeder und jedem unterschiedlich. "Oft eint sie die Suche nach Antworten auf die Fragen: "Wer bin ich? Was kann ich? Was soll aus mir werden - privat und beruflich? Bei der Beantwortung dieser Fragen möchten wir den FSJ-ler*innen zur Seite stehen", so Anna Heiß. "Beim FSJ profitieren die jungen Leute durch die neuen Eindrücke und Erfahrungen, unser Team gewinnt Entlastung durch die Arbeitskräfte und die Klient*innen genießen die Zeit und die Gespräche, die nicht von "Pädagogensprache" geprägt sind. - Ein Win-Win für alle."
Zur Info
Bundesfreiwilligendienst (BFD) und Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ)
Schule fertig, und noch nicht ganz sicher, wie es weiter gehen soll? Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und der Bundesfreiwilligendienst bieten in dieser Situation gute Möglichkeiten, sich erst einmal für die berufliche und persönliche Weiterentwicklung zu orientieren.
Freiwilliges Soziales Jahr
Immer mehr junge Leute nutzen vor ihrer Ausbildung die Chance, an einem FSJ teilzunehmen. Ein Jahr lang können Erfahrungen im sozialen Bereich gesammelt werden. Das FSJ wird als Wartezeit für einen Studienplatz oder als Praktikum für entsprechende Ausbildungsgänge anerkannt. Die Teilnehmenden erhalten ein Taschengeld. Zudem können Unterkunft und Verpflegung gestellt oder als Geldersatzleistung erstattet werden. Außerdem sind sie sozialversichert. Das Besondere beim FSJ: Die praktische Arbeit wird durch Bildungsseminare ergänzt. Dort geht es um einen Erfahrungsaustausch mit anderen Freiwilligen und um persönliche Perspektiven.
Mehr Infos unter www.caritas.de
Bundesfreiwilligendienst
Der BFD ermöglicht allen Menschen, sich freiwillig für Andere zu engagieren: junge Menschen nach der Schule, Menschen in mittleren Jahren und Senior*innen. Alter, Geschlecht, Nationalität spielen keine Rolle.
Mehr Infos unter: www.caritas-bistum-mainz.de