Es herrschte reges Treiben in der Lehrküche der beruflichen Schulen in Michelstadt. An vier Kochstationen wurden leckere Speisen zubereitet, die auf die Besucherinnen und Besucher des Neujahrsempfangs der Arbeitsloseninitiative „Kompass“-Odenwald warteten. Tafelspitz und Ochsenzunge mit Meerrettichsoße, selbstgemachte Nudeln, Medaillon vom Schweinelendchen, Hühnerbrüstchen in feiner Sahnesoße, Gemüsereis, Salattellerchen, selbstgemachte vegetarische Ravioli mit Pilz-Kräuterfüllung, Schokoladenpudding, Kirschquarkbecher oder Apfelkuchen, all dies sind Beispiele für die Köstlichkeiten, die auf die Teller gezaubert wurden. Das Koch-Team hat Erfahrung, das ist beim Beobachten des Miteinanders in der Küche zu spüren. Zehnjährige Erfahrung, um genau zu sein. Vor über zehn Jahren hatte der gelernte Koch mit dem passenden Namen Gerhard Koch zusammen mit Heinz Jöst vom Caritas Zentrum Erbach und Bruno Schumacher von der Arbeitslosenseelsorge beim Arbeitslosentreff-Frühstück die Idee, für Männer mit wenig Geld einen Kochkurs anzubieten. Im Januar 2008 wurde diese Idee am letzten Freitag im Monat in die Tat umgesetzt. Seither wird von Januar bis November der monatliche Kochtreff angeboten. Da auch die Frauen Interesse an dem Kochkurs hatten, wurde ab April 2008 samstags auch ein Kurs für Frauen und Männer ins Leben gerufen. Beide Kurse sind seit Jahren mit zehn bis zwölf Personen jeweils gut besucht. Alle Gerichte sind auf Karteikarten festgehalten, die zum Nachkochen Zuhause kopiert werden können.
Der mittlerweile 69jährige Koch hat auch für den Neujahrsempfang die Speisekarte zusammengestellt und die frischen Zutaten eingekauft. Seit zehn Jahren achtet er darauf, dass seine Vor-, Haupt- und Nachspeisen zu günstigen Preisen zu Hause selbst nachgekocht werden können. „Preisgünstiger und viel gesünder als ein Fertiggericht“, so Heinz Jöst. „Essen ist kein Luxusgut für eine bestimmte Gesellschaftsschicht. Es ist genug für alle da, so die Philosophie unseres Kochkurses.“
Dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich zu echten Kochprofis entwickelt haben, davon können sich die Besucherinnen und Besucher des Neujahrsempfanges überzeugen. Auch Caritasdirektorin Stefanie Rhein genießt die leckeren Köstlichkeiten und ist froh, dass dieses hilfreiche Angebot über eine so lange Zeit gut und gerne besucht wird. „Es ist Angebot, welches Leib und Seele gut tut, denn neben einem gesunden Essen finden die Menschen hier auch eine schöne Gemeinschaft. Das ist sehr wichtig für Menschen, die nicht so viel Geld zur Verfügung haben und daher lieber in den eigenen vier Wänden bleiben.“
Seit Jahren trifft sich ein so genannter „harter Kern“, aber der Treff ist offen, für alle Menschen, die nicht viel Geld zur Verfügung haben und die selbst und gesund kochen möchten. „Wir würden uns über neue Teilnehmer sehr freuen“, sagt Heinz Jöst.
Ein Teilnehmer besucht den Kurs schon von Anfang an. Er hatte bis 2005 in der Firma Rowenta in der Produktion gearbeitet. Bei der Freistellung von 219 Menschen war auch er dabei. Sein Leben hat sich seither sehr verändert. Drei mal musste er seither umziehen um die Auflagen des Jobcenters zu erfüllen. „Mir tun die Treffen von Kompass sehr gut und hier beim Kochkurs habe ich viel dazu gelernt. Zwar habe ich zuhause keinen Herd sondern nur eine Kochplatte aber das hindert mich nicht daran, die Gerichte zu hause auch zu kochen. Ich weiß durch die Treffs, wie ich die Zutaten bereiten muss und fühle mich seither nicht mehr beim Kochen überfordert.“
Viele Freitags-Köche sind ab Mitte 50 aufwärts, der älteste ist über 80 Jahre. Die meisten von ihnen sind Junggesellen, die sich selbst um ihr Essen kümmern müssen. Von Gerhard Koch bekommen die Männer viele Tipps und Hinweise, die ihnen im Alltag helfen. Auch auf einen schön gedeckten Tisch legt er Wert. „Wenig Geld zu haben erschwert auch die Teilhabe am Leben gewaltig“, so Heinz Jöst. „Oft ziehen sich die Freunde von früher zurück, wenn Menschen durch längere Arbeitslosigkeit um ihre Existenz kämpfen. Da fragt einen nach einer Weile keiner mehr, ob man mit ins Restaurant kommt.“ Daher ist der Kochtreff mit dem schönen Namen „Futtern wie bei Muttern“ für viele eine Besonderheit. Dank der Finanzierung durch das Katholische Bildungswerk können die Teilnehmer mit einem Eigenanteil von zwei Euro ihr Drei-Gänge Menü zubereiten und verspeisen. Beim gemeinsamen Essen bleibt Zeit für Gespräche und Sorgen und Probleme, die die Menschen belasten. Die Lebensgeschichten, die hier erzählt werden, zeigen dass Arbeitslosigkeit einem den Boden unter den Füßen wegziehen kann. Da braucht es Angebote wie die Arbeitsloseninitiative Kompass, die es schafft, schlummernde Kräfte in Menschen zu wecken und verloren gegangenes Selbstvertrauen wieder zu schaffen.
Kontakt und Information:
Herr Heinz Jöst
Caritas Zentrum Erbach
Telefon: 06062 – 95 53 30
E-Mail: h.joest@caritas-erbach.de