70 Köpfe diskutierten über den gesellschaftlichen Wandel, der sich nicht überall in Deutschland auf die gleiche Weise oder im gleichen Ausmaß vollzieht. Auch im Kreis Bergstraße gilt kein Patentrezept, sondern es muss regional genau hingeschaut werden, wie die Hilfeangebote regional angepasst ausgerichtet werden.
Caritasdirektorin Stefanie Rhein freute sich, ein Publikum von Fachleuten aus dem Caritasverband, aus Stadt- und Kreisverwaltung, Pflegediensten, Vertreter der freien Wohlfahrtspflege, Neue Wege, Kitas, Ehrenamtlichen und Politikern begrüßen zu dürfen. Auch Bürgermeister Rolf Richter begrüßte die Teilnehmer und sah die Veranstaltung als Chance, gemeinsam Lösungen für die neuen Herausforderungen der Zukunft zu finden.
Grundlage für die Fachveranstaltung war eine Demografie-Studie, die der Deutsche Caritasverband beim Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in Auftrag gegeben hat. Analysiert wurden im Jahr 2015 in dieser Studie die Bereiche Kinder- und Jugendhilfe, Altenhilfe und Migration/Integration bis auf die Kreisebene. Theresa Damm, Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung gab einen Überblick über die demografische Entwicklung des Landkreises Bergstraße und stellte die Ergebnisse der Clusteranalyse für jeden Fachbereich einzeln vor. Sie beschrieb das Cluster, in dem sich der Landkreis Bergstraße befindet, hob Indikatoren für den Landkreis hervor und leitete daraus Fragen ab, die sich für Wohlfahrtsverbände ergeben und welche die Teilnehmenden mit in die Workshops nahmen.
Der Kreis Bergstraße wird älter, aber nicht unbedingt weniger, aber bunter, so lautete ihre allgemeine Zusammenfassung Im Bereich Jugendhilfe sei der Kreis im Cluster: „Junge westdeutsche Landkreise mit tendenziell klassischen Familienstrukturen“, im Bereich Altenhilfe im Cluster „Alternde Landkreise im Westen“ und im Bereich Migration im Cluster: „Wohlhabende, migrationsreiche Umlandregion mit Integrationsdefiziten“ einzuordnen.
Wie schaffen wir es, dass sich junge Menschen hier wohl fühlen und ein Leben ohne Armut führen können, was ist mit Altersarmut, bezahlbarem Wohnraum, möglichst barrierefrei, was kommt auf uns zu, wenn die geburtenreichen Jahrgänge 2031/34 in Rente gehen, diese und noch viele weitere Fragen gab Caritasdirektor Ansgar Funcke den Teilnehmern mit auf den Weg in die Arbeitsgruppen. Landrat Christian Engelhardt war es zunächst ein Anliegen, die teilweise etwas in die Jahre gekommenen Zahlen auf den aktuellen Stand zu bringen. Im Kinder- und Jugendhilfebereich sei der Bedarf an Betreuungsplätzen in etwa gedeckt, ein Problem sei es hingegen qualifiziertes Personal zu finden. Auch im Beriech Altenhilfe sei der Bedarf an Pflegeplätzen gedeckt, der Kreis biete eine gute Struktur, um lange auch im Alter zu hause wohnen bleiben zu können, doch es fehle an Tagespflegeplätzen. Auch der Pflegenachwuchs und barrierefreier Wohnraum seien die Themen der Zukunft. Zum Bereich Migration sagte der Landrat, dass inzwischen viele Angebote auf den Weg gebracht worden seien. 173 Bildungsangebote gebe es im Landkreis. Nun müsse man es aber auch schaffen, dass die Angebote gut genutzt werden.
In den anschließenden drei Workshops wurde untereinander rege diskutiert, sich ausgetauscht und konkrete Maßnahmen abgeleitet.
In der Arbeitsgruppe Jugendhilfe war man sich einig, dass Kitas in Zukunft eine Schlüsselfunktion haben sollten. Diese sollten, mehr als bisher, zu Familienzentren ausgebaut werden, um Teilhabe und frühe Bildung zu fördern, denn „Jedes Kind hat eine Familie im Rucksack“, so der Leiter der Erziehungsberatung Winfried Herr bei der Vorstellung der Arbeitsgruppenergebnisse. Da Kitas einen niederschwelligen Zugang für Eltern bieten, sei es sinnvoll dort Beratungen und Sprachkurse zu platzieren. Netzwerke untereinander, auch zur Erziehungsberatung, sollen in Zukunft ausgebaut werden, ausreichendes und gut qualifiziertes Personal sollte vorhanden sein.
Heimleiter Hans-Peter Kneip stellte die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Altenhilfe vor.
Auch hier kam der Wunsch nach einem Ausbau der Tagespflege auf, auch hauswirtschaftliche Hilfen zu bezahlbaren Bedingungen sei für viele ältere Menschen wichtig. Bestärkt sah man sich im Ansatz, nachbarschaftliche Synergien zu nutzen und Netzwerke weiter aufzubauen. Einig war man sich auch, dass sich die Erwartung an die Pflege ändern müsse, denn die Pflege hat nicht die Wertschätzung, die ihr gebührt. Um in Zukunft Personalnachwuchs zu bekommen, sei es wichtig, dass sich hier etwas verändert.
In der Arbeitsgruppe Migration wurde analysiert, was in den letzten zwei bis drei Jahren passiert ist. Integration ist ein langer Prozess, war man sich einig. Integration muss eingefordert werden, Angebote müssen bekannter gemacht werden, dafür braucht es mehr Geld für Mitarbeiter, Sprachkurse und mehr Schulung für Ehrenamtliche. Auch hier war die Wohnungsnot im Kreis ein Thema, denn Integration sei in Gemeinschaftsunterkünften nicht möglich.
Landrat Christian Engelhardt dankte im Plenum allen, dass sie so viele Ideen zusammen getragen haben. Er habe gut zugehört und nehme die Anregungen mit in seine Teams. Der Tag habe gezeigt, dass für den Kreis Bergstraße eine sozialräumliche Orientierung nötig sei. Zum Thema Pflege sagte der Landrat: „Die Pflege wird immer wichtiger werden, wir müssen neue Plätze in der Tagespflege schaffen, da dank der neuen Finanzierung der Bedarf an diesen Plätzen deutlich wachsen wird. Der Beruf Pflege ist ein attraktiver Beruf mit vielen Facetten. Wir müssen ihn gut bewerben, damit die Attraktivität des Berufsfeldes verbessert wird.“ Zum Thema Integration meinte Engelhardt, dass in den letzten beiden Jahren viele Mittel in diesem Bereich ausgeweitet wurden, auch viel Geld vom Land gekommen sei, so dass die Ressourcen deutlich erhöht worden seien. „Nun müssen wir genau schauen, wo noch mehr gemacht werden muss.“ Der Landrat dankte herzlich der Caritas, dass sie zu diesem Fachtag alle Akteure eingeladen habe, um über gesamt gesellschaftliche Aspekte zu diskutieren. Er freue sich, neue Dinge nun anzupacken.
Caritasdirektor Ansgar Funcke dankte allen Teilnehmern für die vielen Ideen und Visionen. Es gehe nun darum, gemeinsam mit Bund, Land und Kreis weitere gute Dinge effektiv und effizient zu entwickeln. Der Caritasdirektor betonte den Netzwerkgedanken. „Durch die Entsäulung von Diensten und Angeboten kommt es zu einer Blickerweiterung, zu Synergien und zusätzlichen Ressourcen. Es geht nun darum, gemeinsame Strategien mit Verwaltung und Politik aufzugreifen. Eine Teambildung und eine gemeinsame Blickrichtung sind wichtig für alle Menschen, die Hilfe brauchen.“ Herzlich dankte er dem Landrat für die Unterstützung und Beteiligung.