Es sei eine schwere Entscheidung gewesen, sagt Caritasdirektor Winfried Hoffmann, die er gemeinsam mit Vorstandskollegin Stefanie Rhein habe treffen müssen. "Aber nachdem zu den seit Jahren finanziellen Defiziten nun über einen langen Zeitraum auch personelle Lücken nicht mehr zu überbrücken waren, blieb uns leider keine andere Lösung, so sehr wir das auch bedauern."
Zunächst habe der Vorstand mit der Leitung und dem 18köpfigen Team gesprochen. "Das waren natürlich nicht die ersten Gespräche zur Situation. Daher waren zwar alle geschockt, aber nicht wirklich überrascht." Erstmal ging es darum, die Ängste aufzufangen. "Alle reden davon, dass Pflege ein krisensicherer Job ist und dann ist der Arbeitsplatz auf einmal in Gefahr", so Caritasdirektorin Stefanie Rhein. "Diese Ängste konnten aber schnell aufgefangen werden, da wir betriebsbedingte Kündigungen von Anfang an ausgeschlossen haben."
Als Träger von insgesamt sieben weiteren ambulanten Pflegediensten und vier stationären Altenheimen gebe es gute Alternativen. Personalleiterin Sandra Mäurer führe derzeit mit den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Gespräche und zeige neue Perspektiven auf. "Sie ist in einem guten Austausch. Es gab schon einige Vorstellungsgespräche, manche wünschen sich eine Hospitation, um in die neue Dienststelle reinzuschnuppern. Die ersten neuen Verträge sind schon in Bearbeitung", so die Caritasdirektorin. Bisher habe nur eine Mitarbeiterin selbst gekündigt, die anderen möchten weiter beim Caritasverband bleiben. Die Mitarbeitendenvertretung sei von Anfang an mitinvolviert. Auch sie bedauert die notwendige Entscheidung und steht den betroffenen Mitarbeitenden als Ansprechpartnerin zur Seite, so Rita Wingert, Vorsitzende der Mitarbeitendenvertretung.
Nach dem Team seien die 80 Klientinnen und Klienten schriftlich informiert worden, neben all den Behörden und Institutionen, die über eine solche Betriebsschließung per se informiert werden müssen. "Für die Menschen, die wir zum Teil schon sehr lange zu Hause pflegen und für die Angehörigen ist dies natürlich ein Schock", so Victoria Kees, die den Pflegedienst seit 2022 leitet. Viele Gespräche und Telefonate habe sie seither geführt. 25 Betroffene hatten sich zwecks Unterstützung bei der Suche nach einem Anschlussversorger an sie gewandt. Andere wiederum wollten lediglich eine Liste mit Telefonnummern anderer Pflegedienste in Darmstadt.
Gesetzlich vorgeschrieben sei eine Kündigungsfrist von nur zwei Wochen, berichtet Ahu Sultan Kalayci, Stabsstelle Koordination Ambulante Dienste. "Das sei knapp , daher habe der Verband mit einer Frist von sechs Wochen das Schreiben zukommen lassen. Da in Darmstadt mehr als 30 Pflegedienste ihre Leistungen anbieten, sei es vermutlich kein Problem weiter gut versorgt zu werden. Da sei mehr das Problem, dass nun nicht mehr die bisher vertraute Pflegekraft nach Hause komme.
In den letzten Jahren sei es zunehmend schwerer geworden, qualifiziertes Personal für freiwerdende Stellen zu bekommen. "Wir haben über ein Jahr mit Werbung auf verschiedensten Kanälen versucht die Stelle der Stellvertretung zu besetzen", so der Caritasdirektor. Leider sei das nicht gelungen. Da die jetzige Leitung sich im Mai in den Mutterschaftsurlaub verabschiede, sei ab Mai keine Leitung mehr verfügbar. Doch ohne Leitung dürfe kein Pflegedienst betrieben werden.
Es hätte auch mehr Personal gebraucht, um mehr Klientinnen und Klienten aufnehmen zu können, was wirtschaftlich dringend notwendig gewesen wäre. Die Suche nach geeigneten Fach- und Hilfskräften gestaltete sich, aufgrund des Fachkräftemangels und der großen Konkurrenz in Darmstadt aber als sehr schwierig. Der Ambulante Pflegedienst Darmstadt habe in den letzten Jahren jeweils ein Defizit erwirtschaftet. Trotz intensiver struktureller Maßnahmen wie zum Beispiel verbesserte Tourenplanung, Ausweitung des Klientels und des Aufgabenspektrums konnten keine spürbare Erfolge in finanzieller Hinsicht erzielt werden. "Wir schreiben seit Jahren rote Zahlen. Allein im letzten Jahr waren es 245.000 Euro. Die letzten fünf Jahre haben wir über 500.000 Euro Eigenmittel in diese Dienststelle investiert. Eine Änderung war aufgrund der Personallücken nicht in Sicht. Da mussten wir handeln, denn wir haben eine Gesamtverantwortung für den Gesamtverband mit 1.400 Mitarbeitenden."
Die Kirchensteuermittel, 2.857.326 Euro im Jahr 2022, brauche der Verband für Dienste, die als erste Anlaufstelle für viele Sorgen und Probleme von Menschen diene, so wie die Allgemeine Lebensberatung, die kostenlos aufgesucht werden kann. Allein in Eberstadt Süden waren das im letzten Jahr 1.786 Beratungen, die in Anspruch genommen wurden. "Die Kirchensteuermittel werden für diese Dienste dringend gebraucht. Auch für den Migrationsdienst oder die Suchtberatung werden Gelder benötigt, da diese Angebote oftmals nicht regelfinanziert sind", so Stefanie Rhein.
"Uns geht es als gemeinnütziger Träger nicht darum, Gewinne zu erwirtschaften. Dennoch dürfen wir den Blick auf die Wirtschaftlichkeit nicht vernachlässigen, dazu haben wir eine zu hohe Verantwortung unseren Mitarbeitenden und auch den Menschen gegenüber, die sich unseren Diensten anvertrauen. Bei derartig hohen Verlusten einer Dienststelle bleibt uns daher keine andere Wahl als zu schließen", so der Caritasdirektor, der wiederholt sein Bedauern darüber zum Ausdruck brachte.
Der Vorstand nahm die Betriebsschließung zum Anlass auf die zugespitzte Lage im Pflegebereich hinzuweisen. Es brauche eine bessere Zahlungsmoral der Kostenträger, die sofortige Berücksichtigung von Tarifsteigerungen sowie die Anpassung der Pflegesätze an die gestiegenen Kosten, sonst drohe vielen ambulanten Pflegediensten das Aus.