Dass seit 1. April 2024 der Konsum von Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen legal ist und Cannabis von der Liste der verbotenen Stoffe gestrichen wurde, wird von den Caritas Suchtexpert*innen als zweischneidiges Schwert gesehen.
"Es ist begrüßenswert, dass der Besitz von Cannabis entkriminalisiert wird und die häufig sehr jungen Konsument*innen nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie mit Cannabis erwischt werden", sagt Caritasdirektor Winfried Hoffmann. "Wir befürchten aber auch, dass die Folgen des Cannabis Konsums aufgrund der Legalisierung bagatellisiert werden und die Hemmschwelle für manchen sinkt. Ganz kritisch betrachten wir, dass mit der Legalisierung nicht gleichzeitig ein großes Präventionsangebot gestartet ist, das ist sehr bedauerlich." Dadurch sei die Finanzierung von Früh-Interventionen, Beratungen oder Angehörigen (Eltern-) Beratungen nicht geregelt. "Wir investieren schon viele Eigenmittel in die Suchtberatung, so dass wir keine weiteren kostenlosen Beratungsangebote zur Verfügung stellen können. Das bedeutet, dass wir bei steigenden Fallzahlen Betroffene wegschicken müssten, da deren Beratung nicht refinanziert ist. Das wäre empörend! Das Problem einer nicht ausreichenden Refinanzierung der Suchtberatung ist nicht neu, wird aber durch die Legalisierung noch weiter verschärft."
Aufgrund fehlender Information könne auch das Bewusstsein für die schädlichen Folgen fehlen. "Nur weil der Konsum von Cannabis jetzt legal ist, ist er noch lange nicht ungefährlich oder gar gesund. Egal, wie alt man ist", bringt es die Leitung der Suchtberatung in Heppenheim, Katharina Bischler auf den Punkt. Sie und ihr Team befürchten, dass die Hemmschwelle für den Erst- und einen potenziellen Dauerkonsum aufgrund der Entkriminalisierung sinken könne. Erschreckend hoch finden die Suchtexpert*innen die große Menge von 25 Gramm, die eine erwachsene Person in der Öffentlichkeit bei sich führen darf, denn der Durchschnittskonsum von abhängigen Cannabis Konsument*innen liege bei einem bis drei Gramm pro Tag.
Vieles sei unklar, bisher sei auch noch nicht geregelt, an welchen Stellen Cannabis legal erworben werden kann, so dass eine Ausmerzung des Schwarzmarktes bisher noch nicht erfolgte und im schlimmsten Fall auch nicht erfolgen werde.
Sorgen bereiten den Suchthilfeteams die Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die Cannabis in jungen Jahren konsumieren. Sie seien aufgrund des Reifeprozesses des Gehirns bis zu einem Lebensalter von 25 Jahren besonders anfällig für psychische, physische und soziale Schäden, die durch langfristigen, aber auch durch kurzfristigen Cannabiskonsum verursacht werden können. "In unseren Beratungen haben wir zunehmend junge Erwachsene, die seit mehreren Jahren regelmäßig mehrfach wöchentlich Cannabis konsumiert haben und schließlich im Alter von Anfang 20 Jahren eine Psychose entwickelt haben. Dies bedeutet für die Betroffenen eine deutliche Einschränkung bei ihren weiteren beruflichen bzw. Ausbildungsplänen und darüber hinaus einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden, da die Betroffenen häufig nicht mehr in der Lage waren, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen in Folge der kognitiven Einschränkungen durch die Psychose", so Andrea Wiechert, Leitung der Suchthilfezentrum in Darmstadt.
Es brauche daher unbedingt eine Prävention und Frühintervention, die von Kostenträgern Bund, Land, Stadt und Krankenkasse finanziert werden müssen, ergänzt Ruth Rothkegel, die die Suchtberatung in Darmstadt-Dieburg leitet. Dass sowohl die Finanzierung ungeklärt ist als auch viele unklare Formulierungen im Gesetz enthalten sind und dass es zur Umsetzung der Regeln wie Abstand zu Schulgebäuden, viele Fragen gibt, auch zur Kontrolle der Regeln, zeige, dass das Gesetz zu früh verabschiedet wurde.
Frühzeitig Hilfe zu holen sei das A und O. Wenn Konsument*innen ein hohes Verlangen haben, Cannabis zu konsumieren, wenn sie eine regelrechte Gleichgültigkeit gegenüber Verpflichtungen entwickeln, wenn sie sich aus dem sozialen Umfeld zurückziehen, wenn sie immer mehr und häufiger konsumieren, auch zu unpassenden Zeiten, wie vor der Arbeit oder vor der Autofahrt oder Entzugssymptome auftreten wie zum Beispiel starkes Schwitzen, Schlaflosigkeit, Albträume oder Ruhelosigkeit, dann sollte unbedingt Hilfe gesucht werden. Wer den richtigen Zeitpunkt verpasst, der kann an einer drogeninduzierten Psychose, Depression erkranken und an schweren Ängsten und Antriebslosigkeit leiden.
Die Politik müsse in Sachen Prävention nachbessern. Denn es sei wichtig die Menschen, insbesondere junge Menschen auf die Gefahren und Risiken hinzuweisen, so Jochen Bickel, Leiter der Fachambulanz für Suchtkranke in Erbach. Jede und jeder sollte wissen, was ein risikoarmes bzw. riskantes Konsummuster ist, nicht nur bei Cannabis, auch bei Deutschlands Droge Nummer 1, dem Alkohol!
Zur Info:
In den Caritas Beratungsstellen gibt es kostenfreie Suchtberatung, eine Vermittlung in weiterführende Behandlungen sowohl stationär als auch teilstationär, sowie die ambulante Rehabilitation und das betreute Wohnen im eigenen Wohnraum.
Weitere Angebote im Überblick auf:
https://www.caritas-darmstadt.de/beratung-und-hilfe/hilfebeisucht/suchtberatung