
Mit ihrer offenen, zugewandten Art hat Ruth Rothkegel in den vergangenen 23 Jahren viele Menschen gleichermaßen berührt. Caritasdirektor Winfried Hoffmann dankte ihr in einer Feierstunde mit vielen ihrer Weggefährt*innen: "Früh zu intervenieren, Chancen zu eröffnen und Menschen auf ihrem Weg zu begleiten, das war Ihnen immer ein Herzensanliegen. Sie haben vielen Menschen Mut gemacht, neue Wege zu gehen. Ihr Fachwissen, Ihre Empathie und Ihre Klarheit im Tun haben die Suchthilfe im Landkreis Dieburg entscheidend geprägt."
Das Herzblut sei von Anfang an mit dabei gewesen, berichtet Ruth Rothkegel. Schon zum Studienbeginn der Sozialen Arbeit wusste sie, dass sie das Thema Sucht und die Arbeit mit betroffenen Menschen nicht mehr loslassen würde. Sie war damals 33 Jahre alt und langjährig als Bürokauffrau im Rechnungswesen tätig, als sie sich zu diesem beruflichen Neuanfang entschied. "Ich wollte mit Menschen arbeiten, sie in schwierigen Lebenssituationen wirksam unterstützen und neue Wege aufzeigen", so die Caritasmitarbeiterin, die schon ihr Praktikum und ihr Anerkennungsjahr bei der Caritas Suchthilfe in Dieburg absolvierte.
Sowohl die Tätigkeit in der Beratung als auch die Motivationsarbeit und Durchführung von Informationsgruppen motivierte sie, eine dreijährige, berufsbegleitende Ausbildung zur Suchttherapeutin an einem Gestaltinstitut zu absolvieren. Anschließend arbeitete sie im Bereich der ambulanten Suchttherapie, weitere Ausbildungen, wie Traumatherapie u.a. folgten. Nach acht Jahren übernahm sie 2010 die Leitung der Fachambulanz für Suchtkranke in Dieburg. Damals bestand das Team aus fünf Mitarbeitenden, heute sind es 15. Mit dem Team wuchs auch die Bandbreite der Angebote, so dass heute Therapie, Beratung und betreutes Wohnen unter einem Dach angeboten werden.
Die Einführung des Betreuten Wohnens in Dieburg, heute "Assistenz in Wohnen und Alltag" nach dem Bundesteilhabegesetzt (BTHG) war ein wichtiger Meilenstein ihrer Arbeit. Das Angebot richtet sich an chronisch suchtkranke Menschen mit vielen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und komplexen Lebenssituationen. Hier werden Betroffene individuell betreut und begleitet, sie erhalten Unterstützung, um ihren Alltag zu stabilisieren. Diese wichtige Neuerung im Bereich der Suchthilfe setzte Ruth Rothkegel ebenso für die Stadt Darmstadt und für die Außenstelle in Erbach um, die sie bis vor drei Jahren ebenfalls leitete.
Veränderte Suchtlandschaft - neue Herausforderungen
Nah an den Menschen zu bleiben war Ruth Rothkegel über all die Jahre wichtig, auch als Leitung. Bis zuletzt hielt sie über die Therapiegruppen den Kontakt zu den betroffenen Menschen und erlebte die Veränderungen in der Suchtlandschaft. "In den vergangenen Jahren hat sich die Arbeit in der Suchthilfe stark verändert", so ihr Resümee. "Neben Alkohol und Medikamenten stehen heute Mischkonsum, neue Suchtmittel und auch die Verhaltenssüchte im Vordergrund." Daher sei es auch ein sehr wichtiger Schritt gewesen, dass der Landkreis 2024 die Drogenberatung an den Caritasverband Darmstadt übergeben habe.
"Da zu sein, wo Menschen uns brauchen, war immer unser Caritas-Motto", so die 63-Jährige. "Wir haben geschaut, welche Hilfe wird aktuell benötigt und haben so neue Angebote, wie zum Beispiel 2022 die Fachberatung für Gaming und Medien gegründet." Das stark nachgefragte Angebot wird vom Landkreis Darmstadt-Dieburg finanziert. Ebenso konnte das Frühinterventionsprogramm "HaLT- Hart am Limit" für junge Menschen zwischen 14 und 21 Jahre etabliert werden. Seit dem 1. Januar 2024 ist Dieburg offizieller HaLT-Standort und möchte in einem Netzwerk von Landkreis, Polizei, Schulen und Kliniken junge Menschen frühzeitig erreichen und suchtpräventiv begleiten.
"Es braucht ein starkes Netzwerk für nachhaltige Hilfe", so die Suchtexpertin. Kooperationen mit dem Landkreis Darmstadt-Dieburg, Landeswohlfahrtsverband, Gesundheitsamt, Kliniken, Selbsthilfe, insbesondere dem Kreuzbund, dem Zentrum für seelische Gesundheit, HLS, Suchthilfeverbund und weiteren Beratungsdiensten seien zentral, um Betroffene individuell zu begleiten. Sie blicke dankbar auf die Jahre zurück: "Wir haben viele Herausforderungen gemeistert, Projekte angepackt und persönliche Entwicklungen gefördert. Ich bin sehr stolz auf mein Team."
Ihre Nachfolge übernimmt Lena Krebs, die bisherige Dienststellenleiterin in Erbach. "Ich bin froh, dass das Suchthilfezentrum mit Lena Krebs und dem Team in guten Händen ist."