Frau Reiniger, wie viele junge schwangere Frauen bzw. junge Mütter haben denn seit Eröffnung das neue Angebot genutzt?
Das Haus ist für sieben Plätze ausgerichtet. Wir starteten vor einem Jahr gleich zügig mit sechs Frauen und hatten in den ersten vier Monaten vier Geburten. Schnell war das Haus voll belegt, es gab aber auch schon Auszüge, so dass bisher neun Frauen das Angebot genutzt haben. Nach einem Jahr kann ich sagen, dass wir überregional angefragt werden und mit diesem Hilfeangebot eine Lücke schließen konnten.
Welche Gründe sind es, die die jungen Frauen zu Ihnen bringen?
Die Gründe sind sehr unterschiedlich. Bei der Gründung dachten wir, dass vor allem Mädchen und Frauen, die in sehr jungem Alter ein Kind erwarten, auf Hilfe und Begleitung in dieser herausfordernden Situation angewiesen sind. Doch es sind auch "ältere" Frauen, die in ihrem Umfeld nicht auf Hilfe stoßen und diese bei uns suchen. Zurzeit haben wir Frauen bei uns im Alter zwischen 19 und 31 Jahren. Sie alle brauchen Unterstützung, um in ihrer elterlichen Kompetenz gestärkt zu werden.
Die meisten Anfragen kommen vom Jugendamt, wenn die Sorge zu groß ist, dass die Mütter diese Aufgabe nicht allein schaffen werden. Durch den Einzug bekommen sie die Chance, sich als Mutter zu beweisen, die Alternative wäre sonst, dass das Baby nach der Geburt in einer Pflegefamilie aufgenommen wird.
Wie gelingt es Ihnen und dem Team, die elterliche Kompetenz zu stärken?
Ein besonderer Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Förderung einer guten und gesunden Eltern-Kind-Bindung, ein Beziehungsaufbau sowie den Umgang mit dem Säugling und Kleinkind im Alltag. Wie begegne ich meinem Kind? Wieviel Zuwendung braucht es? Was habe ich selbst als Kind erlebt? Um diese Fragen geht es in unserer Arbeit. Wir wissen aus Erfahrung und aus Studien, dass Eltern, die leider keine positiven frühkindlichen Erfahrungen machen durften, eine Förderung der elterlichen Kompetenzen und eines gesundes Bindungsverhalten zum eigenen Kind brauchen, damit dieses Erleben und diese Bindungsmuster sich nicht wiederholen. Die individuellen Bedürfnisse einer jeden Bewohnerin sind uns daher genauso wichtig wie die ihrer Kinder. Denn eine Verhaltensänderung ist möglich.
Wie schnell stabilisieren sich die Mütter, wenn sie in der Gruppe leben?
Auch das ist sehr individuell. Es braucht Zeit, bis die Hilfeangebote wirken, bis durch begleitenden Therapieangebote, Schuldner- und Erziehungsberatung oder einen begleitenden Umgang mit dem Kindsvater alltagspraktische Dinge organisiert sind. Doch meist findet nach drei bis vier Monaten eine Stabilisierung statt. Die Antwort auf die Frage: "Wo geht die Reise hin, wenn du hier nicht mehr wohnst?", kann aber auch acht Monate dauern.
Wie ist das Miteinander der Mütter im MuKi-Haus?
Die jungen Mütter leben mit ihren Kindern in Einzelzimmern, erledigen Koch- und Putzdienste, Essen gemeinsam und verbringen ihre Abende mit basteln oder Spielen, da ist das Miteinander sehr dicht. Montagsvormittags wird in einer Gruppensitzung die Woche geplant, der Essensplan besprochen. Ein wenig ist das Leben hier mit einer großen Wohngemeinschaft vergleichbar, das funktioniert mal besser und auch mal schlechter, je nachdem wie die Charaktere miteinander harmonieren.
Wieviel Mitarbeitende stehen den Frauen zur Seite?
Im Gruppendienst arbeiten sechs Mitarbeitende, dazu haben wir eine Kinderbetreuung und eine Hauswirtschaftskraft. Es brauchte schon ein Jahr, um bei der Arbeit in die Routine zu finden, bis die Abläufe alle rund laufen. Doch das Team ist sehr motiviert, multidisziplinär zusammengestellt, da hat sich schnell eine Gemeinschaft, eine Teamkultur entwickelt. Viele haben vorher in Kitas oder in der Jugendhilfe gearbeitet, so dass der Umgang mit den Problemfeldern der Klientinnen bereits einigermaßen bekannt war. Zudem gibt es die Unterstützung einer Familienkinderkrankenschwester. In Ergänzung des Teams steht sie zu allen Fragen der pflegerischen Versorgung eines Säuglings und zur Gesundheitsberatung oder zu Fragen zum Stillen zur Verfügung.
Interessierte erfahren mehr über dieses Hilfeangebot unter:
Kurzes Porträt von Frau Kirstin Reiniger
Seit 1. Februar 2019 leitet Kirstin Reiniger den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe beim Verband mit den Arbeitsfeldern der stationären und ambulanten Jugendhilfe sowie der Kindertagespflege. Die Dipl. Sozialarbeiterin arbeitet seit 15 Jahren beim Caritasverband Darmstadt.
Von 2006 bis 2019 war Frau Reiniger für die Fachberatungs- und Vermittlungsstelle in der Kindertagespflege im Kreis Bergstraße zuständig.
Diesen Bereich verantwortet sie auch nach Übernahme der Leitungsfunktion der stationären und ambulanten Jugendhilfe.
Neben der im Interview vorgestellten Mutter Kind Wohngruppe in Mörlenbach bietet der Caritasverband Darmstadt noch eine Jugendwohngruppe in Darmstadt an. Im Guballahaus können max. elf junge Menschen im Alter von zwölf bis Volljährigkeit, aufgenommen und betreut werden. Ein strukturierter Tagesablauf sowie verschiedene Freizeitangebote gewährleisten Hilfen, die den jungen Menschen gerecht werden. Eine enge Zusammenarbeit mit den Schulen sowie Ausbildungs- und Praktikumsstätten bieten umfassend Unterstützung. Die Jugendlichen werden von pädagogischem Fachpersonal rund um die Uhr begleitet und betreut.
Kirstin Reiniger und ihren Mitarbeiter*innen in den Teams ist es ein großes Anliegen, Kindern, Jugendlichen und Familien eine Umgebung zu ermöglichen, die den individuellen Bedarfen gerecht werden. Das Kindeswohl steht dabei im Vordergrund.
Im Aufbau begriffen sind weitere ambulante Hilfen zur Erziehung (HzE) im Kreis Bergstraße sowie in der Stadt Darmstadt. Hier vor allem soll die Verselbständigung der jungen Menschen aus den stationären Gruppen heraus weiterhin begleitet werden.
Weitere Infos: https://www.caritas-darmstadt.de/beratung-und-hilfe/hilfefuerkinderundfamilien/jugendhilfe/