Ein umstrittenes Dauerthema für Menschen mit psychischen Erkrankungen, als auch für die behandelnden professionellen Helfer und Angehörige ist die Einnahme von Psychopharmaka.
Insbesondere bei schweren psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder schizoaffektiven Psychosen ist die antipsychotische Medikation (Neuroleptikagabe) im klinischen Alltag immer noch die Hauptsäule der Behandlung. Dabei unterstützen Neuroleptika die nötigen psychosozialen und psychotherapeutischen Hilfen, ersetzen diese aber nicht. Neben der als positiv betrachteten antipsychotischen Wirkung führen Neuroleptika, insbesondere bei hoher Dosierung, auch zu Nebenwirkungen wie z.B.: unwillkürliche Bewegungen, Übergewicht, Diabetes, Konzentrationsstörungen, Müdigkeit, Speichelfluss, Mundtrockenheit, Bewegungsunruhe, sexuellen Störungen und anderen unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Aus diesem Grund überlegen sich viele Patienten, die Medikamente abzusetzen.
Mit dieser Fragestellung hat sich intensiv der Psychiater Dr. Volkmar Aderhold vom Institut für Sozialpsychiatrie der Universität Greifswald auseinandergesetzt. Nach dem Motto: „viel hilft viel“ werden seiner Meinung nach oft sehr hohe Dosen Neuroleptika zur Behandlung eingesetzt. Dr. Aderhold kommt unter Berufung auf verschiedene Studien zum Schluss, dass bei geringeren Dosen, als allgemein empfohlen, bereits maximale antipsychotische Wirkung erreicht wird. Als problematisch wegen der unüberschaubaren Neben- und Wechselwirkungen sieht Dr. Aderhold auch die gängige Polypharmazie, also die Behandlung eines Symptoms mit zwei oder mehreren Medikamenten.
Eine andere Meinung hierzu vertritt Prof. Dr. Thomas Wobrock, Chefarzt des Zentrums für Seelische Gesundheit in Groß-Umstadt. Er sagt, dass eine verantwortungsvolle, in der Dosierung auf das klinische Zustandsbild abgestimmte Gabe von Antipsychotika (Neuroleptika) schon seit längerem gelebte Praxis in den psychiatrischen Kliniken und bei den niedergelassenen Fachärzten für Psychiatrie sei. Pharmakologische Maßnahmen wie die Einnahme von Antipsychotika seien ein nicht wegzudenkendes Mittel der klinischen Intervention, insbesondere in der Akutphase der Erkrankung, ggf. auch in Kombination mit angstlösenden Medikamenten. Durch Antipsychotika werde häufig eine rasche Besserung der psychotischen Symptome erreicht, was oft erst eine weitergehende psychotherapeutische Arbeit und das Annehmen von psychosozialen Hilfen ermögliche. Prof. Wobrock sieht die Gefahr, dass durch die Vermittlung einer medikamentenablehnenden Haltung der Versuch von unkontrollierten Absetzversuchen der Patienten zunimmt, was mit einer Verschlechterung der Erkrankung einhergehe.
In der zweiten Veranstaltung der Darmstädter Psychiatrieimpulse möchten wir uns über dieses zentrale Thema der psychiatrischen Versorgung streiten. Wir möchten unterschiedlichen Positionen hierzu Raum geben und später auch alle ZuhörerInnen zu Wort kommen lassen.
Freuen Sie sich auf eine spannende Abendveranstaltung und gelebte demokratische Streitkultur.
Termin
Mittwoch, 31. Januar 2018, Beginn 19:00 Uhr
Ablauf
19:00 Uhr: Begrüßung und Einleitende Worte
- Stefanie Rhein, Caritasdirektorin
- Bastian Ripper, Caritas-Krisendienst Südhessen
19:15 Uhr: Statement von Dr. Volkmar Aderhold, Dozent am Institut für Sozialpsychiatrie Universität Greifswald
19:45 Uhr: Statement von Prof. Dr. Thomas Wobrock, Chefarzt des Zentrums für Seelische Gesundheit in Groß-Umstadt
20:15 Uhr: Kurze Pause
20:30 Uhr: Streitgespräch Dr. Volkmar Aderhold – Prof. Dr. Thomas Wobrock: Neuroleptika in der Psychiatrie – Fluch oder Segen?
21:00 Uhr: Fragen des Publikums an beide Referenten
ca. 21:30 Uhr: Veranstaltungsende
Veranstaltungsort
Theater im Pädagog
Pädagogstraße 5
64283 Darmstadt
Fragen zur Veranstaltung beantwortet gerne:
Herr Bastian Ripper, Vorstandsreferent
Caritasverband Darmstadt e. V.
Heinrichstraße 32 A
64283 Darmstadt
Telefon: 06151 – 99 91 33
E-Mail: b.ripper@caritas-darmstadt.de