Vor 100 Jahren, mitten im ersten Weltkrieg, wurde unter Bischof Georg Heinrich Kirstein der „Caritas-Verband der Diözese Mainz“ gegründet. Fünf Jahre später gründete Studentenseelsorger Prof. Wilhelm Schleußner den Caritasverband für Darmstadt, da die soziale Lage der Menschen geprägt war von Arbeitslosigkeit, Hunger, Not und bitterer Armut im Alter. 95 Jahre später wird bei der Präsentation des Jahresberichtes 2016 durch den Vorstandsvorsitzenden Franz-Josef Kiefer, seinen Vorstandskollegen Ansgar Funcke und Stefanie Rhein, Mitglied der Geschäftsführung deutlich, wie viele Menschen auch heute noch die Hilfeangebote des Caritasverbandes Darmstadt benötigen. Rund 6.000 Menschen mit den unterschiedlichsten Problemen, Sorgen und Nöten haben die Hilfeangebote des Verbandes im letzten Jahr allein in Darmstadt in Anspruch genommen. Über 2.300 Menschen haben die Allgemeine Lebensberatung in Darmstadt aufgesucht, rund 1.000 Menschen den Migrationsdienst, 600 Menschen die Beratungsangebote der Gemeindepsychiatrischen Zentren auf, über 300 Kinder haben die Angebote der Frühberatungsstelle in Darmstadt in Anspruch genommen, 300 Klienten die Caritas Sozialstation, rund 500 Menschen wurden vom Krisendienst Südhessen versorgt und rund 800 Menschen kontaktierten das Suchthilfezentrum Darmstadt.
Da sich der Bezirk des Verbandes neben der Stadt Darmstadt und dem Landkreis Darmstadt-Dieburg auch über den Kreis Bergstraße und den Odenwaldkreis erstreckt, hat sich der Verband mit 1.250 Mitarbeitenden zu einer recht großen Firma entwickelt. Rund 80 Prozent der Mitarbeitenden sind weiblich. Die Aufgaben der beruflichen Mitarbeitenden liegen zu rund 79 Prozent bei der Arbeit mit Menschen. Interkulturell hat sich der Verband sehr geöffnet: Rund 14 Prozent der Mitarbeitenden sind entweder im Ausland geboren oder haben einen ausländischen Pass. Das entspricht jeder siebten Person im Verband. Über die Hälfte davon arbeitet in der Pflege, im pädagogisch, therapeutischen Bereich sind 13 Prozent beschäftigt. „Auch wenn rund 50 Prozent der Mitarbeitenden nicht römisch-katholisch sind, so bringen sich die Mitarbeitenden aller Weltanschauungen im Rahmen der katholischen Kirche ein, sie tragen die Caritas mit und üben Nächstenliebe aus“, so Caritasdirektor Franz-Josef Kiefer, der seit 42 Jahren beim Verband tätig ist und am 27. Juni in den Ruhestand verabschiedet wird.
„Als ich bei der Caritas begann, war soziale Arbeit überwiegend über Kirchensteuer und staatliche Zuschüsse finanziert und praktisch konkurrenzlos. Heute gibt es einen sozialen Markt, in dem auch private Unternehmen aktiv sind. Wir haben Kunden, erbringen Leistungen und rechnen verhandelte Leistungsentgelte ab. Die Gehälter fast aller Mitarbeitenden müssen daher zwingend über entsprechende Umsätze erwirtschaftet werden. Der Caritasverband muss heute also alle betriebswirtschaftlichen Aspekte eines normalen Betriebes beachten“, so Kiefer, der seit 25 Jahren in der Geschäftsführung tätig ist. 2016 finanzierten sich die Ausgaben des Caritasverbandes über öffentliche Zuschüsse in Höhe von rund 3.800.000 Euro, über Leistungen der Sozialversicherung in Höhe von 31.174.000 Euro, über Spenden von rund 400.000 Euro, Beiträge von rund 300.000 Euro und Mittel der Caritas von rund 4.575.000 Euro.
„Trotz finanziellem Druck sind wir eine besondere Firma geblieben, was sicherlich mit unserem besonderen Auftrag und unserem christlichen Selbstverständnis zusammenhängt“, sagt der scheidende Caritasdirektor. „Wir verstehen uns nach wie vor als Anwalt und Unterstützer der Armen und besonders Bedürftigen. Auch wenn jemand nicht in der Lage ist, Beratung und Unterstützung selbst zu finanzieren, helfen wir schnell und unbürokratisch, ganz im Sinne der Caritas.“
Dies soll auch mit dem neuen Vorstandsduo Stefanie Rhein und Ansgar Funcke so bleiben, die künftig als Vorstand die Entwicklung des Verbandes verantworten. „Wir werden die notwendigen Entwicklungen und Veränderungen mit Energie und Augenmaß anstoßen und voranbringen und das grundlegend Bewährte und Gute, wie christlicher Auftrag, Dienstgemeinschaft, Wirtschaftlichkeit, sehr engagiert erhalten“, so Ansgar Funcke. Soziale Fragen und Probleme der Zeit erkennen und Lösungen in Kirche und Gesellschaft zu finden war und ist ein Hauptanliegen der Caritasarbeit.
So wurden auch 2016 neue Einrichtungen eröffnet, um auf aktuelle Notlagen zu reagieren. Die eröffnete stationäre Wohngruppe für Kinder und Jugendliche, das Weihbischof-Guballa-Haus, ist derzeit aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation noch mit unbegleiteten minderjährigen Ausländern belegt. Doch künftig werden hier auch Kinder und Jugendliche aus der Region eine Heimat finden.
Neu eröffnete 2016 auch das Caritas Zentrum im Kulturbahnhof in Weiterstadt. Eine Tagesstätte, Betreutes Wohnen, individuelle Beratung für Betroffene und ihre Angehörigen sowie Krisenberatung werden in der Bahnhofstraße 2 unter einem Dach angeboten.16 Plätze stehen insgesamt in der Tagesstätte zur Verfügung. Abends und am Wochenende finden in der ehemaligen Bahnhofgaststätte unter anderem Konzerte, Discos, Lesungen oder Quizabende vom Kulturbahnhof Weiterstadt e. V. statt.
„Wir sind der Ansicht, dass sich Einrichtungen der Sozialpsychiatrie nach innen und außen öffnen müssen, um den Hilfesuchenden wirksam helfen zu können“, so Stefanie Rhein zu dieser innovativen Idee.
„Auch im Bereich der Suchthilfe schauen wir stets nach neuen Bedarfen und packen neue Themen an“, so Caritasdirektor Ansgar Funcke. Hilfe so früh wie möglich anzubieten, ist das Ziel eines neuen Projektes, das sozusagen in den Startlöchern steht. Geflüchtete Menschen in den Erstwohnhäusern der Stadt Darmstadt sollen im Umgang mit Suchtmittelkonsum und Glücksspiel gecoacht werden. Da geflüchtete Menschen keinen Zugang zu Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke haben, setzt dieses Projekt auf Prävention und rasche Reaktion auf suchtbedingte Problemlagen.
Sozusagen in den Startlöchern eines neues Projektes, welche geflüchtete Menschen im Pallaswiesenviertel besser integrieren möchte stehen die Mitarbeitenden der Gemeinwesenarbeit. In aufsuchender Sozialarbeit sollen die Flüchtlingsunterkünfte im Neuwiesenweg und im Sensfelder Weg über die Beratung und Begleitung der Gemeinwesenarbeit informiert werden. Gemeinsam mit den Geflüchteten sollen neue passende Angebote wie zum Beispiel Stadtteilerkundung, Frauentreff mit Kinderbetreuung oder Hausaufgabenhilfe konzipiert und im Gemeinschaftshaus, wenn möglich mit Beteiligung von langjährigen Bewohnerinnen und Bewohnern des Stadtteils angeboten werden. Bereits 2016 hat die Stadt Darmstadt sehr früh das Projekt "Neue Nachbarschaft leben" in der Lincoln-Siedlung mit dem Caritasverband Darmstadt und dem Diakonischen Werk Darmstadt-Dieburg gestartet, um von Anfang an die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sich Bürger mit ihren Ideen einbringen und sich am Aufbau nachbarschaftlicher Strukturen beteiligen können. Ziel dieser präventiven Gemeinwesenarbeit ist es, ein Gemeinschaftsgefühl in der Bevölkerung und eine Identität mit der Siedlung zu schaffen. Gefördert wird das Projekt durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration sowie die Wissenschaftsstadt Darmstadt.