Nicht isoliert - sondern mit dem Blick auf Kirche, Caritas und Politik.
Sozialraumorientierung ist ein Konzept der sozialen Arbeit, das die Lebensbedingungen der Menschen in ihrem Stadtteil verbessern will. Dr. Maria Lüttringhaus, langjährige Geschäftsführerin am Institut für Sozialraumorientierung, Quartier- und Case-Management (DGCC) in Essen verlieh dem doch sperrig klingenden Begriff mit einem inspirierenden Vortrag etwas Praxisnahes, fast schon Lebendiges. Es gelang der Referentin in ihrem Vortrag Lust auf sozialraumorientiertes Arbeiten zu wecken. Sie appellierte, das Ohr direkt am Stadtteil, am "normalen Leben" zu haben und lud die zahlreichen Besucher*innen zum Austausch, zum miteinander Wirken und zum frei Denken auf.
Kreative Lösungen gefragt
Wichtig sei für die Institutionen, die Themen der Zeit zu erkennen und mit Hirn, Herz und Handwerkszeug die Menschen mitzunehmen, um die es geht. "Wer am Puls der Leute ist, kann Impulse geben für die Herausforderungen, die wir in unserer Nachbarschaft zunehmend sehen", so die Referentin. Oft seien kreative Lösungen gefragt. So sammelt ihr Verein EMMA+Wir e. V. zum Beispiel Legosteine für ein Projekt aus Köln, die daraus mobile Rampen für Einzelhändler, Cafés und Restaurants bauen, damit Menschen mit einem Rollstuhl überall reinkommen. "Barrieren können manchmal so leicht beseitigt werden. Die Lösungen sind viel kleiner, wenn man einmal frei denkt", so ihr Appell. Wichtig sei, die Menschen, die das Problem betrifft, mitzunehmen. "Das gehört zu den zentralen Mantras unsere Tage", so die Gründerin des "LüttringHaus all Inclusive", einem Wohnprojekt für junge Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf und inklusiver Stadteilarbeit. Entwickelt hatte sich das Projekt auch aus eigener Betroffenheit und durch die persönlichen Erfahrungen mit der ältesten Tochter, die mit nur elf Jahren an Parkinson erkrankte. Durch die Tochter sei sie zum Peer geworden und habe manch fragwürdige politische Entscheidungen in Diskussion gebracht.
Was wollen die Beroffenen?
"Nicht wir wissen, was gut ist, sondern die Menschen, die in ihren Sozialräumen, in ihren Dörfern und Stadtteilen leben. Was wird gemacht, gebaut, angeboten? Die eigentliche Frage lautet: Was wollen die Betroffenen, wie können wir sie dabei unterstützen, damit wir das, was sie wollen, gemeinsam umzusetzen", dafür brauche es einen Perspektivwechsel von der "Fürsorge" zur Beteiligung und Partizipation auf Augenhöhe. Es sei wichtig, die Menschen zu befähigen, nach dem Motto: Ihr wisst selbst, was gut für Euch ist und die Kompetenz der Mitarbeitenden zu stärken. Kurz gesagt, es brauche Sozialraumorientierung als Haltung, und zwar bei allen institutionellen Hilfesystemen. "Es geht um ein gemeinsames Schauen, ein Bündeln von Projekten, um Vernetzung, Kooperation und kollegiale Beratung."
Podiumsdiskussion mit Vertreter*innen aus Kirche, Politik und Caritas
Die Impulse wurden im Anschluss an das Referat unter der Moderation von Prof. Dr. Markus Emanuel mit Sozialdezernentin Christel Sprößler, Winfried Reininger vom Bischöflichen Ordinariat, Caritasdirektor Winfried Hoffmann und der Referentin diskutiert. Oberbürgermeister Partsch hatte krankheitsbedingt kurzfristig abgesagt. Gemeinsam könne viel erreicht werden, das habe auch das koordinierte Handeln in der Ukraine-Krise gezeigt, da waren sich alle einig. Es herrschte an diesem Abend auch Einigkeit über die Absicht, nicht nur in Krisen gut miteinander zu Wirken sondern insgesamt Ressourcen zu checken, um Doppelstrukturen zu vermeiden.
Winfried Hoffmann erläuterte an dem Abend auch die aktuellen Pläne, die Angebote der "ALB-Dienststelle Darmstadt" und der "Dienststelle Gemeinwesenarbeit Darmstadt" inhaltlich und strukturell zu Caritaszentren "Eberstadt Süd" und "Pallaswiesen-Morneweg" zusammenzulegen. "Dieses ehrgeizige Konzept möchten wir zugunsten der Menschen in den Quartieren in Darmstadt, die den höchsten Bedarf aufweisen, im Verband umsetzen. Der Anspruch ist die Schaffung von Synergien durch die Niedrigschwelligkeit und Quartierskenntnisse der GWA und der hohen Beratungsexpertise der ALB. Damit geben wir starke Ressourcen in die Sozialräume Eberstadt und Pallaswiesen-Morneweg-Viertel."
Winfried Hoffmann sei einer ihrer ersten persönlichen Kontakte in ihrer neuen Aufgabe als Sozial- und Jugenddezernentin gewesen, berichtet Christel Sprößler, die zuvor 18 Jahre als Bürgermeisterin von Roßdorf tätig war. Durch die vielseitigen Hilfeangebote der Caritas im Landkreis gibt es mit ihrem Dezernat viele gemeinsame Themen. "Es ist wichtig zu schauen, wo wir gemeinsam die Lebensbedingungen der Menschen verbessern können, die unsere Hilfe besonders benötigen", so die Kreisbeigeordnete.
Winfried Reininger, Leiter des Seelsorgedezernats des Bistums, war zuvor Bereichsleiter "Gemeindecaritas und Engagementförderung" beim Diözesancaritasverband Mainz. In dieser Zeit hat er am Bistumsziel Sozialpastoral mitgewirkt, die Diakonie in der Seelsorge gestärkt und die Zusammenarbeit von Caritas und Seelsorge verbessert. Winfried Reininger dankte den engagierten Menschen der Gemeindecaritas und hofft, dass sich , wie zum Beispiel die Gemeinde St. Fidelis, sich viele andere auch auf den Weg machen, sich öffnen, hinausgehen und für alle Menschen da sind.
Dank an das Organisationsteam
Für den gelungenen "Fachabend" dankte der Caritasdirektor Gudrun Schneider, ALB Darmstadt, Monika Fahrenholz-Müller, ALB Dieburg und Horst Miltenberger von der Gemeinwesenarbeit und ihren Teams.