Die Patient*innen der Caritas Sozialstation Darmstadt kennt Victoria Kees nahezu alle persönlich. Seit August 2022 leitet die examinierte Altenpflegerin den ambulanten Pflegedienst doch die Arbeit, das Team und die Patient*innen sind ihr deshalb so vertraut, da sie hier ausgebildet wurde und 2019 bereits die stellvertretende Leitung übernommen hat. Mehrere Leitungswechsel hat sie in dieser Zeit erlebt und möchte nun für ihr 18-köpfiges Team eine langfristige Ansprechpartnerin sein.
Mit ihren 31 Jahren ist sie im eigenen Team die Jüngste, der Altersdurchschnitt liegt um die 50. Dass sie nun die Chefin ist, das finden alle gut, auch ihr ehemaliger Praxisanleiter, der bald sein 25-jähriges Dienstjubiläum beim Caritasverband Darmstadt feiert. Die Jüngste bleiben will sie aber nicht und sucht Verstärkung für das Team. "Wir möchten wachsen, sowohl im Team als auch bei den Patient*innen", berichtet Victoria Kees mit einer Sorgenfalte, denn der Personalmangel ist in der Pflege schon lange angekommen. Neben Darmstadt möchte die Caritas Sozialstation verstärkt auch in Kranichstein, Arheilgen und Eberstadt aktiv werden, sobald das Personal aufgestockt werden konnte. Händeringend sucht sie auch eine Stellvertretung, da die Position seit ihrem Wechsel an die Spitze unbesetzt ist. "Mit Herzblut dabei sein", sei eine der wichtigsten Voraussetzungen bei der Ausübung des Berufes. Dazu brauchen die Pflegekräfte noch Selbstständigkeit, Einfühlungsvermögen, Empathie, Kreativität, Flexibilität und ein hohes Maß an Teamfähigkeit. "Nur ein Team, das gut ineinandergreift und an einem Strang zieht, ermöglicht einen reibungslosen Arbeitsablauf", so Victoria Kees, die sehr dankbar ist, dass sie und ihre Mitarbeitenden einen guten Zusammenhalt haben. Und die Stellvertretung müsse zusätzlich "noch eine große Portion Stressrezilienz mit im Gepäck haben".
Dankbarer Beruf, der mehr Anerkennung verdient
Sie selbst habe nach dem Abitur zunächst Jura studiert, als recht plötzlich die Oma und kurz danach auch der Opa schwer erkrankten. Die Familie habe sich intensiv gekümmert, so dass die beiden bis zum Tod zu Hause wohnen bleiben konnten. In dieser Zeit habe sie das Studium "an den Nagel gehängt" und sich zur Altenpflegeausbildung entschieden. Nach sechs Monaten im Altenheim folgte der Wechsel zum Caritasverband in den ambulanten Bereich. "Hier bin ich angekommen. Den Menschen eine Stütze sein, damit sie so lange wie möglich im eigenen zuhause bleiben können, ist eine Aufgabe, die mir persönlich gut gefällt. Für mich ist es ein dankbarer Beruf, der jedoch viel mehr Anerkennung verdient." Dabei sei Geld nur einer der Faktoren. "Der Caritasverband zahlt im Gegensatz zu vielen ambulanten Pflegediensten schon seit Jahren nach Tarif. Die Anbieter, die das nicht taten, sind nun seit 1. September dazu verpflichtet und ziehen vielerorts die Preise an."
Wünschebuch und Tourenplanung
Manche Pflegekräfte belaste die 12-Stunden-Schicht, die gehöre auf den Prüfstand, so die Caritasmitarbeiterin. Die psychischen Belastungen, die der Beruf mit sich bringe, erfordern Supervision und psychosoziale Betreuung. Für Victoria Kees sind auch wertschätzende Gespräche mit den Mitarbeitenden wichtig. Diese Gespräche schnell einzuführen sei ihr ein großes Anliegen. Nur so gelinge es, die Bedarfe der einzelnen Mitarbeitenden zu erfahren und sie auch entsprechend zu fördern. Ein Wunschbuch habe sie ausgelegt, dort können Wünsche für den Dienstplan eingetragen werden. Die Leiterin versucht bei der Planung der 50 Touren pro Woche, 8 pro Werktag und 5 jeweils Samstag und Sonntag, so gut wie möglich alle Wünsche zu erfüllen. Dabei wird versucht, außer bei Urlaub und Krankheit, den Patient*innen ihre feste Bezugsperson zuzuteilen. Victoria Kees springt zurzeit selbst noch ein, wenn das Personal zu knapp ist, doch neben der Tourenplanung gibt es eine Menge organisatorische Dinge zu erledigen und viele Gespräch mit Angehörigen, Ärzt*innen und Mitarbeitenden zu führen, so dass Zeit ein knappes Gut bei ihr ist.
Zeitfresser sind dagegen oftmals die roten Ampeln, die Parkplatzprobleme und das hohe Verkehrsaufkommen in Darmstadt. Da sind die Fahrzeiten immens und die Benzinkosten auch. Daher sind für bestimmte Touren die Anschaffung von E-Bikes in Planung.
Corona hat die Isolation bei den älteren Menschen verstärkt
Insulingabe, Medikamentengabe, Wundversorgung, Kompressionsstrümpfe oder Körperpflege aber auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten zählen zu den wichtigsten Gründen der Patient*innen, den ambulanten Pflegedienst nach Hause zu holen. Für mache Person, die das Hilfsangebot in Anspruch nimmt, sind die Mitarbeitenden der Sozialstation der einzige Kontakt. Auch wenn die Angst vor Corona bei den Menschen, die zu Hause gepflegt werden, nicht mehr so präsent sei, so habe Corona aber oftmals die Einsamkeit und die Isolation unter den älteren Menschen noch verstärkt. "Da besteht auch ein hoher Redebedarf von Seiten der Patient*innen. Das ist nicht immer einfach, wenn die Mitarbeitenden im nächsten Haushalt bereits erwartet werden."
Sie habe mit diesem Job ihren Traumberuf gefunden. Dass sie so schnell eine Sozialstation leiten darf, damit habe sie nicht gerechnet und freut sich darauf, die neuen Herausforderungen anzupacken.