Hier ist Raum und Platz für die Sorgen, die Fragen, die Ängste, die Wut und die Hoffnung. Es wird geredet, geweint und gelacht. Durch den Austausch erfahren Betroffene viele Tipps, die das Leben leichter machen. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Selbsthilfegruppen, so unterschiedlich der Anlass, eine zu besuchen ist, auch ist. Alle eint, dass das Leben durch eine Erkrankung oder einen Schicksalsschlag auf den Kopf gestellt wurde. Sei es die Erkrankung an Diabetes, eine Sucht, die Psyche, das Herz oder eine Behinderung - von Kopf bis Fuß decken die 185 existierenden Selbsthilfegruppen im Kreis Bergstraße ein breites Spektrum ab.
Die 21 Gruppen, die sich am 3. September in der Lampertheimer Fußgängerzone präsentieren, versuchen am Infotag Menschen zu erreichen, die den Schritt, eine Selbsthilfegruppe bewusst aufzusuchen, erst einmal nicht gehen würden. Alle Mitwirkenden freuen sich, dass nach zwei Jahren coronabedingter Pause das persönliche Gespräch wieder möglich ist. Das Konzept, die Menschen beim Wochenendeinkauf in der Fußgängerzone anonym und unverbindlich informieren zu können, funktioniert besser als die digitale Form der Ansprache.
Dass es so viele verschiedene Gründe gibt, sich in der Selbsthilfe zu engagieren, zeigte schon das Pressegespräch in Lampertheim mit Vertreter*innen unterschiedlicher Gruppenangebote. So erzählt Rüdiger Bürkel von seinen Erfahrungen, als er vor 15 Jahren als Notfallpatient wegen der Schlafapnoe behandelt werden musste. Der behandelnde Arzt hatte ihm den Tipp gegeben, eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Heute gibt es drei, in Bensheim, Lampertheim und Viernheim, mit 1100 Mitgliedern im Kreis Bergstraße.
In ihren meist monatlichen Treffen geht es um den Austausch von Erfahrungen, um Lösungsmöglichkeiten, wie man die Krankheit bewältigen kann oder auch um eine gelegentliche gemeinsame Freizeitgestaltung. Zu zeigen, dass Betroffene trotz Einschränkung das Leben meistern und genießen können, ist ein weiteres Ziel der Selbsthilfegruppen. "Wir informieren, unterstützen und ergänzen die 5. Säule der Gesundheitsversorgung", so Stephan Thomas, der die Diabetiker Selbsthilfegruppe Bürstadt seit der Gründung vor 23 Jahren besucht und anderen Mut machen möchte, die Selbsthilfe aufzusuchen.
Seit zehn Jahren gibt es die Selbsthilfegruppe "Schmerz lass nach" in Weinheim. Als Schmerzpatientin werde man oft allein gelassen. Selbst Familie und Freunde könnten zum Teil nicht nachvollziehen, wie ein Leben mit 24 Stunden Schmerzen sei. "In der Gruppe muss man sich nicht groß erklären. Wir machen uns gegenseitig Mut und erfahren nützliche Tipps für das Leben mit dem Schmerz und in der Linderung des Schmerzes", berichtet Gisela Woll, eine chronische Schmerzpatientin. Das Alter kenne beim Schmerz keine Grenzen, daher sei die Gruppe altersmäßig breit aufgestellt. Das ist auch so in der Delfi-Gruppe in Heppenheim. 70 Menschen im Alter von 26-86 Jahren treffen sich regelmäßig, auch Angehörige sind dabei. Wenn das Herz einen Defibrillator braucht, kommt es zu einem Wechselbad der Gefühle, weiß Monika Arras: Die Dankbarkeit, diesen wenige Zentimeter großen Lebensretter unter der Haut zu haben aber auch die belastete Psyche, die dieses veränderte Leben mit sich bringt. "Man muss mit dem Gerät leben lernen. Der Austausch untereinander kann Ängste und Sorgen verringern oder sogar nehmen." Die Gruppe mache Mut und helfe dabei, positiv in die Zukunft zu schauen.
Auch die Botschaften weiterer Selbsthilfegruppenmitglieder machen deutlich: Jede und jeder kann in eine Situation kommen, wo Hilfe und Anregung gewünscht ist, wo das allein sein schadet und es guttut, sich auszutauschen, mit Menschen, die einen verstehen.
Selbsthilfekontaktstelle
Organisiert wird der Tag der Selbsthilfegruppen von der Selbsthilfekontaktstelle des Kreises Bergstraße gemeinsam mit der Stadt Lampertheim. Manche Engagierte der Selbsthilfegruppen haben schon vor 20 Jahren beim ersten Selbsthilfetag mit dem Caritasteam die Stände aufgebaut. Das Nachwuchsproblem beschäftigt viele der Gruppen, doch noch wird alles mit dem eigenen Engagement gestemmt. Froh sind alle über die Unterstützung durch die Selbsthilfekontaktstelle des Caritasverbands Darmstadt. Die Sozialpädagoginnen Angelika Oberheim und Barbara Hammon bilden zusammen mit der Verwaltungskraft Gaby Lerchl das Team der Selbsthilfekontaktstelle. Sie sind Ansprechpartnerinnen für Menschen, die eine Selbsthilfegruppe suchen, sowie für Betroffene, die eine Selbsthilfegruppe gründen wollen. Sie beraten bestehende Selbsthilfegruppen z. B. bei schwierigen Gruppenphasen, organisieren Treffen und Fortbildungen, geben Anregungen bei der Suche nach Fördermöglichkeiten und präsentieren die Selbsthilfearbeit in der Öffentlichkeit im Rahmen verschiedener Veranstaltungen.
Kontakt:
Selbsthilfekontaktstelle des Kreises Bergstraße
Caritaszentrum Heppenheim
Barbara Hammon und Angelika Oberheim, Bensheimer Weg 16, 64646 Heppenheim, Tel.: 06252 - 990130
Weiterführende Infos sind unter www.selbsthilfe-bergstrasse.de zu finden.